CDU-Kandidatin Sabine Buder:"Bodenhaftung fehlt"

AZ-Interview mit Sabine Buder: Die 37-jährige Tierärztin und vierfache Mutter aus Biesenthal in Brandenburg holte bei der Bundestagswahl das beste Ergebnis aller CDU-Kandidaten in ihrem Bundesland. Den Einzug in den Bundestag verpasste sie allerdings knapp.
AZ: Frau Dr. Buder, als junge Frau aus dem Osten wollten Sie drei nicht mehr ganz junge Männer aus dem Westen im Kampf um den CDU-Vorsitz herausfordern - Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Helge Braun. Warum ließ man Sie nicht?
SABINE BUDER: Alte, weiße Männer sind in diesem Fall nicht schuld. Nicht nominiert wurde ich von meinem Kreisverband im Landkreis Märkisch-Oderland, einem stark weiblich besetzten Gremium mit einer Kreisvorsitzenden, die gleichzeitig Landesvorsitzende der Frauen-Union in Brandenburg ist. Das ist mir an dieser Stelle auch ganz wichtig: Ich kämpfe nicht gegen alte weiße Männer, sondern gegen verkrustete Strukturen innerhalb der CDU. Und für ein vielfältigeres Angebot. Dabei ist es ganz egal, ob da drei ähnliche Männer oder drei ähnliche Frauen stehen.
"Nackenschlag ? Ich habe ein Angebot gemacht, das nicht angenommen wurde"
Auch wenn Sie die Frage eventuell schmerzt: Warum wurden Sie nicht nominiert?
Ich glaube, dass man da Angst hatte, in irgendetwas hingezogen zu werden, mit in Haftung genommen zu werden, sich lächerlich zu machen vielleicht auch. Kurz: der mangelnde Mut. Es ging ja nicht darum, einen Bundesvorsitzenden oder eine Bundesvorsitzende zu wählen, sondern nur darum, eine Kandidatur zuzulassen.
Leiden Sie unter diesem Nackenschlag durch Ihre Parteifreunde?
Ich verstehe die Frage nicht. Was soll hier ein Nackenschlag sein? Ich habe ein Angebot gemacht, das nicht angenommen wurde. Ich habe gesagt, ich trete an, wenn ihr es wollt. Und sie haben es nicht gewollt. Aber das ist doch kein Nackenschlag. Genau dieses Wording führt dazu, dass wir diese uninspirierte und mutlose Politikkultur haben. Dass es sofort peinlich und unangenehm ist, wenn man ein avisiertes Ziel nicht erreicht. Ich fühle mich deshalb auch nicht "verbrannt". Ich bin durchaus noch lebensfähig. Ich bin am Tag nach der Abstimmung früh morgens aufgestanden, habe die Kinder für Kita und Schule fertiggemacht, bin dann in meine Tierarztpraxis gegangen und habe operiert.
Der CDU hätte eine Kandidatin wie Sie im Rennen um den Parteivorsitz gutgetan. Nicht nur wegen der Außenwirkung.
Mir ist klar, dass aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Sabine Buder Parteivorsitzende geworden wäre. Aber Helge Braun wird es auch nicht werden - und der darf kandidieren. Ein vielfältigeres Feld an Kandidaten hätte auch den gestärkt, der es am Ende wird.
"Hätte mir Söder als Kanzler sehr gut vorstellen können"
Friedrich Merz? Halten Sie ihn Sie für den besten Kandidaten - und besten Unionskanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025?
Ich habe ihn im Wahlkampf schätzen gelernt. Ich glaube, er ist für diese Übergangsphase, für diese Findungsphase in der Opposition sicher der richtige CDU-Bundesvorsitzende. Einer, der auch mal reinhaut. Ob das dann gleich automatisch in eine Kanzlerkandidatur münden muss, ist eine andere Frage. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich bei der letzten Bundestagswahl für Markus Söder als Kandidat war. Das hätte ich mir sehr gut vorstellen können.
Kennen Sie Markus Söder?
Wenige Wochen vor der Wahl habe ich tatsächlich eine Einladung nach München bekommen. Und da hat es sich ergeben, dass ich mit ihm zu Abend essen durfte. Danach, als ich wieder nach Hause fuhr, überkam mich ein Traurigkeitsgefühl, weil ich eine Vorstellung davon bekommen hatte, was mit ihm hätte sein können. Der Söder ist gut, der macht es cool. Dieses eine Zitat von ihm ist mir im Gedächtnis haften geblieben: Was die Union braucht, ist ein neues Grundsatzprogramm, eine neue politische Denke, die "sexy und solide" gleichzeitig ist. Was jetzt gerade geliefert wird, ist weder sexy noch solide.
Was fehlt? Nennen Sie vielleicht drei wichtige Punkte.
Das gäbe es vieles zu sagen. Erstens: mehr Expertise und mehr aktuellen Bezug an die Verhandlungstische. Diese Beliebigkeit, dass jeder Politiker Experte für alles ist, dass es nicht einmal einer wahren Fachlichkeit braucht, um sich fachlich zu äußern, das finde ich schlimm. Und das kostet Glaubwürdigkeit. Gerade bei Themen, bei denen ich es beurteilen kann, und das sind agrarpolitische, da fällt es mir eklatant auf. Bei der Bundestagswahl haben wir nicht nur Wählerstimmen verloren, sondern auch Kompetenzpunkte.
"Politik ist doch kein Selbstzweck"
Punkt zwei?
Wofür sind denn Politiker da? Politik ist doch kein Selbstzweck. Was wir bräuchten, wäre ein ausgeprägteres Maß an Kümmern. Die Bereitschaft, den Menschen wirklich zuzuhören und zu verstehen, was sie bewegt und sich dann um ihre Anliegen zu kümmern. Wir reden häufig über abstrakte Dinge, die mit dem Alltag der Menschen, ihren Sorgen und Nöten exakt gar nichts zu tun haben. Es mangelt nicht nur an Expertise, sondern vor allem an Bodenhaftung. Die und wir - wir sind in völlig unterschiedlichen Welten unterwegs. Da könnte ich viele Beispiele aufzählen. Und je länger jemand im Politikbetrieb ist, je weniger Resterfahrung er in seinem Leben sammeln durfte, desto intensiver ist die Ausprägung.
Und Punkt drei?
Das, was auf der Packung draufsteht, muss irgendwann auch mal wieder geliefert werden. Ich habe mich ja einmal aus bestimmten Gründen für diese Partei entschieden und ich würde es - Stand heute - auch wieder tun. Die Kernthemen, die christlichen Werte, Ordnung und Sicherheit, Wirtschaft und Familie, die sind in Vergessenheit geraten. Es gibt kein inhaltliches Profil mehr, bei dem man sagen kann: Ja, dafür steht die Union. Es ist nicht so, dass wir die Rolle rückwärts machen müssen. Es nervt mich aber, dass so viele nicht zwischen wertkonservativ und strukturkonservativ unterscheiden können. Werte sollen bleiben, Strukturen müssen angepasst werden.