CDU diskutiert "Großstadtkompetenz"
Die Stimmen werden weiterhin ausgezählt: In Bremen gab es eine Pleite für Schwarz-Gelb. Und der Union fehlt es an "Großstadtkompetenz".
Bremen - Nach dem haushohen Sieg von Rot-Grün und dem Fiasko für Schwarz-Gelb bei der Wahl in Bremen haben die Führungsgremien der Parteien am Vormittag über Konsequenzen beraten. In der Hansestadt wurden wegen des komplizierten neuen Wahlrechts weiterhin Stimmen ausgezählt.
In Berlin konstatierte Unions-Fraktionschef Volker Kauder Defizite bei der "Großstadtkompetenz" des klaren Wahlverlierers CDU. "Da müssen wir uns schon anstrengen, um als Großstadtpartei die richtigen Akzente setzen zu können", sagte Kauder am Montag im ARD-"Morgenmagazin". "Es muss das Lebensgefühl in den Großstädten wieder besser getroffen werden." Die CDU war bei der Bremer Bürgerschaftswahl am Sonntag nach schweren Verlusten erstmals hinter den Grünen auf dem dritten Platz gelandet.
Bei den jüngsten Wahlen habe die CDU "in der Fläche ganz gute Ergebnisse" erzielt, sagte Kauder. Nun rate er seiner Partei, die unterschiedlichen Situationen in den Städten anzuschauen. In Berlin, wo im Herbst gewählt wird und der CDU ein Abrutschen auf den vierten Platz hinter SPD, Grüne und Linkspartei droht, gebe es eine ganz andere Lage als beispielsweise in Hamburg. In der Hauptstadt gehe es außer um die Wirtschaftspolitik darum, die Stimmungen etwa in der Bildungs- und der Gesundheitspolitik zu treffen.
Zur Debatte über mögliche schwarz-grüne Bündnisse äußerte sich Kauder zurückhaltend. Die Koalition mit der FDP im Bund habe noch nicht einmal die Halbzeit hinter sich. "Und wenn wir jetzt die Themen richtig setzen, das Energiekonzept beschließen (...) und dann im Herbst uns auch um die kleinen Leute wieder einmal etwas kümmern, (...) dann haben wir alle Chancen, in der zweiten Halbzeit noch mächtig zu punkten."
Nach den Zahlen des Landeswahlleiters und nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF wurde die SPD von Regierungschef Jens Böhrnsen mit leichten Zugewinnen klar stärkste Partei in Bremen - gefolgt von den Grünen, die mit einem Plus von rund sechs Punkten auf Platz 2 landeten. Die CDU folgte nach deutlichen Verlusten mit dem schlechtesten Ergebnis seit fünf Jahrzehnten. Die FDP flog aus dem Landesparlament, der Linken gelang hingegen der Wiedereinzug.
Die SPD wird in der Bürgerschaft künftig mit 35 bis 36 Sitzen vertreten sein, die Grünen mit 22, die CDU mit 18 oder 19 und die Linke mit 6 Sitzen. Die Vereinigung "Bürger in Wut" (BIW) bekommt wieder einen Sitz, weil sie in Bremerhaven relativ stark ist. Am Vormittag waren laut Homepage des Landeswahlleiters 166 von 507 Wahlbezirken ausgezählt. Mit einem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird in Bremen nicht vor Mittwoch gerechnet.
Trotz der jüngsten Wahlerfolge sieht Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ihre Partei nicht als "Volkspartei". "Wir ringen mit dem Wort, weil wir uns als Partei gegen die früheren Volksparteien gegründet haben", sagte sie am Montag in der ARD. Die Grünen seien eine "Gestaltungspartei". Künast: "Wir haben früher immer viele Konzepte gemacht und erklärt, dass es auch anders geht. Wir sind jetzt die Partei, die mit umgestaltet."
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sieht seine Partei auf einem guten Weg für einen Machtwechsel im Bund 2013. "Wir müssen uns konkret und pragmatisch auf die Regierungsübernahme 2013 vorbereiten", sagte er der "Rheinischen Post".
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle betonte, das sehr schlechte Bremer Ergebnis könne man nicht der neuen Parteispitze um Philipp Rösler anlasten. "Nach sieben Tagen kann das ja noch nicht wirken." Die FDP müsse jetzt mit solider Arbeit aus der Krise kommen.
Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder empfahl der CDU, sich programmatisch breiter aufzustellen. Der großstädtische Strategie- Ansatz der CDU in Hamburg und Bremen habe keinen Erfolg gebracht, sagte der Bundestagsabgeordnete im Deutschlandradio Kultur. Grundsätzlich tue sich die Union mit einer "zersplitterten Wählerschaft" schwer, wie sie in urbanen Milieus existiere.