CDU denkt bei der Homo-Ehe um

Nach der Schlappe vor dem Verfassungsgericht sollen Partnerschaften von Homosexuellen der Ehe gleichgestellt werden. Die verschiedenen Positionen im Überblick.  
von  mab

Nach der Schlappe vor dem Verfassungsgericht sollen Partnerschaften von Homosexuellen der Ehe gleichgestellt werden. Die verschiedenen Positionen im Überblick.

München - Die CDU könnte eine ihrer letzten konservativen Überzeugungen räumen und homosexuelle Paare wie andere Eheleute auch behandeln. Aus Einsicht? Oder aus Angst vor einem weiteren Richterspruch aus Karlsruhe im Wahljahr? Auf jeden Fall gibt es nun Ärger mit der CSU. Dabei hatte sich die CDU erst vor drei Monaten – beim Parteitag in Hannover – gegen eine steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare mit Eheleuten ausgesprochen. Und das trotz Warnungen der Parteiprominenz vor den absehbaren Urteilen aus Karlsruhe zum Thema Adoption und Ehegattensplitting.

Auch Mahnungen, dass laut Umfragen die Mehrheit der Bürger für die Gleichberechtigung Homosexueller ist, halfen nicht. Nun nimmt die CDU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel Anlauf zu einer neuen Kehrtwende. Nach der Abkehr von Atomenergie und Wehrpflicht und der Modernisierung ihrer Familienpolitik öffnet sich die Partei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben.

Denn die CDU plant ein Gesetz zur Gleichberechtigung von Homo-Ehen – sie sollen die gleichen Rechte und Pflichten wie heterosexuelle Ehen bekommen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder will noch im Sommer einen entsprechenen Entwurf in den Bundestag bringen. CDU und FDP sind für eine Gleichstellung, die Opposition sowieso – nur die CSU sträubt sich (noch).

Was aber bewegt Unionsfraktionschef Kauder? Er tat sich bisher extrem schwer, die Homosexuellen-Ehe mit der traditionellen Ehe gleichzusetzen. Und Merkel war der Ansicht, das Ehegattensplitting sei Ausdruck der Vorgaben des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie besonders gefördert werden sollten. Durch das Ehegattensplitting kann die Steuerbelastung der Partner gesenkt werden.

Offenbar hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag einen Sinneswandel bewirkt. Die Richter ermöglichten homosexuellen Lebenspartnern die Adoption von Adoptivkindern ihrer Partner. Die CDU-Spitze fürchtet nun, dass Karlsruhe auch die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen im Ehegattensplitting fordern wird.

Dann wäre Merkel zum Handeln gezwungen. Sie müsste im Wahljahr einräumen, dass sie eine Minderheit falsch und finanziell schlechter behandelt hat. Nun scheint die Devise zu sein: Lieber noch freiwillig einlenken. Die CSU kündigt Widerstand an. Von zentraler Bedeutung sei, dass Ehe und Familie weiter privilegiert würden, sagt CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.

Einerseits teilt Parteichef Seehofer diese Auffassung. Andererseits sagt er, es gebe immer Veränderungsprozesse in einer Gesellschaft, auf die die Politik reagieren müsse. „Darüber muss man dann reden. Noch dazu, wenn ein oberstes Gericht entschieden hat.“

Womöglich definiert die CDU Ehe und Familie jetzt neu. Familie ist da, wo sich Menschen lieben, einen Bund schmieden und füreinander da sind – das könnte eine christliche Bewertung sein. Das einst konservative und auch katholische Profil der Partei, die unter der protestantischen Merkel gesellschaftlich weit in die Mitte gerückt ist, wäre kaum noch erkennbar. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, warnt bereits in deutlichen Worten (s.unten) vor dem Verlust der letzten Stammwähler.

Sein Kollege Jan-Marco Luczak hingegen hatte schon beim Parteitag versucht, seinen Parteifreunden zu erklären, dass auch homosexuelle Paare Werte der CDU lebten. Und Karlsruhe habe immerhin nicht nur mit dem Zaunpfahl gewunken, „sondern gleich mit dem ganzen Zaun“. Sachsens CDU-Fraktionschef Steffen Flath hielt dagegen: „Gott hat uns geschaffen als Frau und Mann und ich glaube, dass er sich dabei etwas gedacht hat.“ Die CDU denkt nun um.

Die Positionen der Parteien zur Homo-Ehe

Die Front in der Union bröckelt: „Für die CDU ist die Ehe zwischen Mann und Frau ein besonderer Wert und steht auch unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes“ – Thomas Bareiß vom konservativen Flügel der CDU steht noch immer für die strikte Linie der Union beim Thema Homo-Ehe. Doch die Front, die das Wahlprogramm einst zementiert hat, bröckelt. „Eine vollständige rechtliche Gleichstellung solcher Lebensgemeinschaften mit der Ehe lehnen CDU und CSU ab“ heißt es dort. Folgerichtig sieht die Union auch keinen Handlungsbedarf beim Ehegattensplitting. Das wolle man „voll erhalten“.
Jetzt rückt zumindest die CDU vom gemeinsamen Wahlprogramm der Union ab. Deren Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Volker Kauder rechnet laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ damit, dass es noch vor der Sommerpause ein Gesetz zur Gleichberechtigung von Homo-Ehen geben wird. Kauder: „Es ist selbstverständlich, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden muss und umgesetzt werden wird. Selbst das Ehegattensplitting bringt Kauder damit indirekt ins Spiel. Die Union werde prüfen, „ob daraus auch steuerrechtliche Konsequenzen resultieren“.

SPD setzt auf den Bundesrat: Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Homo-Ehe hat die SPD elektrisiert. Die Hamburger Genossen preschen mit einer Bundesrats-Initiative vor. Ziel: Die Ehe soll für gleichgeschlechtliche Partner geöffnet werden. „So können wir alle Diskriminierungen mit einem Schlag beseitigen“, glaubt Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedeck.
Damit erfüllt die Partei jetzt die Vorgaben des eigenen Wahlprogramms. In dem Papier steht die „Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften“ als Ziel. Bestehende Benachteiligungen will die SPD abschaffen. Beim Ehegattensplitting setzt die Partei dagegen nur auf Veränderung. So soll der Splittingvorteil bei hohen Einkommen gekappt werden. Bei der Adoption hält sich die SPD bedeckt, das Thema wurde beim Wahlprogramm komplett ausgespart.

Die Grünen haben höhere Ziele: Bei der Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften hat Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin vor allem zwei Punkte ausgemacht: das Steuerrecht und die Adoptionsfrage. Würden diese Diskriminierungen beseitigt, seien die wesentlichen Unterschiede aufgehoben.
Trittin geht die Sache eher pragmatisch an, die Partei hat noch höhere Ziele. „Im Gleichheitsartikel unserer Verfassung muss endlich ergänzt werden, dass niemand wegen der sexuellen Identität diskriminiert werden darf“, heißt es im Wahlprogramm. Darin setzen sich die Grünen mehr als jede andere Partei für Schwule und Lesben ein. Eckpunkte: Öffnung der Ehe, Änderung des Adoptionsrechts sowie die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung für Lebenspartnerinnen.

FDP hat das Thema für sich entdeckt: „Mit diesem Schritt erkennt die Union endlich unsere offene und tolerante Gesellschaft an. Dafür haben wir Liberale lange gekämpft“, kommentiert FDP-Chef Philipp Rösler den wahrscheinlichen Kurswechsel bei der CDU. Die Liberalen haben das Thema Gleichstellung von Homo-Ehen als Wahlkampfthema erkannt. Und konkretisierten in den vergangenen Monaten die vagen Sätze im eigenen Wahlprogramm. Dort heißt es, „alle Lebensgemeinschaften in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen“ seien für die Partei „wertvoll“. Diese Lebensgemeinschaften müssten mit der Ehe gleichgestellt werden – beim Steuerrecht, im Beamtenrecht und bei Adoptionen. Letztere will die Partei stärken und bürokratische Hürden reduzieren. Eine konkrete Aussage der FDP zum Ehegattensplitting findet sich im Wahlprogramm nicht.

Funkstille bei der Linken: Viele Forderungen, wenig Handeln: Während Linke-Politiker auf allen Kanälen gegen Hartz IV und für einen Mindestlohn wettern, herrscht zum Thema Homo-Ehe weitgehend Funkstille. Bei ihrem Eintreten gegen das Ehegattensplitting nimmt die Linke Schwule und Lesben aus - und argumentiert im Wahlprogramm rein ökonomisch. Das Splitting begünstige eine traditionelle Arbeitsteilung zwischen Ehepartnern. Deshalb solle die Regelung abgeschafft werden. Die Forderungen im Wahlprogramm der Linken sind plakativ: „Alle Familienformen gleichstellen: Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare einführen“. Es gehe darum, „ob alle Menschen die gleichen Rechte haben – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung“, so Linken-Frau Barbara Höll 2011 in einer Rede.

 

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