Bundesweite Ausdehnung der CSU: Das Schreckgespenst
Aus Angst vor einer rechten Partei denken manche in der CSU über eine Ausdehnung nach. Merkel lehnt einen Kurswechsel ab. Schon Franz Josef Strauß drohte 1976 mit einer Ausdehnung der bayerischen Partei über die ganze Republik..
MÜNCHEN Es ist der ewige Traum der CSU: Schon Franz Josef Strauß drohte 1976 mit einer Ausdehnung der bayerischen Partei über die ganze Republik. Sein Schüler Edmund Stoiber schwebte 1990 bei der Wiedervereinigung vor, die CSU in die neuen Bundesländer zu exportieren. Alle Versuche scheiterten. Den Münchner CSU-Europaabgeordneten und Sprecher der Sudentendeutschen, Bernd Posselt, schreckt das nicht: Er bringt jetzt wieder eine Expansion der CSU über die weiß-blauen Grenzen hinaus ins Spiel – um bundesweit die mit der CDU unzufriedenen konservativen Wähler zu fischen.
CSU-Chef Horst Seehofer schließt die Entstehung einer neuen Partei rechts von der Union nicht mehr aus. Immer wenn die Politik die Probleme nicht löse „war das die Chance für Volksverführer.“ Und Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner warnt, dass 20 Prozent eine rechtskonservative Partei wählen würden. Vor allem frustrierte Unionsanhänger. „Da ist die rechte Flanke geöffnet“, so Schöppner.
Alles schon mal da gewesen in der jüngsten Geschichte der Republik. Jedesmal hat die CSU die Schuld auf die große Schwester CDU geschoben – weil sie so schwächelt. „Entscheidend ist, dass die CDU nicht das Schicksal der Democrazia Christiana in Italien erleidet und einfach auseinander fällt, malt Posselt das Schreckgespenst vom Untergang der Union. Die hatte Italien jahrzehntelang geprägt und sich dann langsam aufgelöst. Nicht anders sei es den Konservativen in Belgien und in den Niederlanden ergangen, warnt Posselt.
Nun sitzt der schwergewichtige Politiker zwar im Vorstand der CSU und droht: Eine Ausdehnung der Christsozialen könnte „in einer veränderten Parteienlandschaft notwendig sein“. Doch erschrecken wird Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihm garantiert nicht. Bisher war die CSU bei ihren Ausdehnungsdebatten jedesmal als brüllender Löwe gestartet und als Bettvorleger gelandet.
Auch unter Franz Josef Strauß mit seinem legendären Trennungsbeschluss, der den Mythos von Kreuth begründete. 1976, als die Union völlig am Boden war, weil sie wieder die Wahl verloren hatte gegen die sozial-liberale Koalition, schockte der CSU-Vorsitzende die Schwesterpartei mit der Scheidung. Den damaligen CDU-Chef und Oppositionsführer Helmut Kohl hielt er für „total unfähig.“ Mit einer bundesweiten Präsenz hoffte Strauß der FDP ihr konservatives Klientel abzuwerben. Die Rechnung ging nicht auf. Kohl schüchterte die Bayern ein, dann würde die CDU auch im Freistaat antreten. Nach drei Wochen waren die bayerischen Revolutionäre eingeknickt.
Sieben Jahre später war die neue Partei geboren, die allen Angst und Schrecken einjagte. Die Republikaner. Sie spaltete sich vom rechten Rand der CSU ab, angeführt von Strauß-Spezl und Fernsehmoderator Franz Schönhuber. Bei der Europawahl 1989 erzielte sie in Bayern 14,6 Prozent, ihr bestes Ergebnis, und zog mit sechs Abgeordneten triumphal ins Europaparlament ein. Damals polterte Strauß: „Rechts neben der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Die Republikaner konnten ihre Erfolge nicht wiederholen und verschwanden in der Versenkung.
Edmund Stoiber, damals noch bayerischer Innenminister, wollte die CSU in die neuen Bundesländer schicken – als Auffangbecken für die Konservativen. Er ließ dazu ein geheimes Strategie-Papier erarbeiten. Seine Partei aber hielt davon nichts. Selbst die Unterstützung der rechtskonservativen Deutschen Sozialen Union (DSU) in den neuen Ländern wurde für die CSU zum Flop.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will das Schreckgespenst von einer Partei am rechten Rand verjagen: Standhaft lehnt sie einen Kurswechsel nach rechts ab. Als Losung gab sie „drei Säulen“ aus. Die liberale, die christlichsoziale und die konservative. Das stellte sie gestern auf der CDU-Präsidiumsklausur auf Schloss Diedersdorf bei Berlin klar: „Alle drei machen die Kraft unserer Volkspartei aus.“ Und alle ihre Männer beteten es nach. Ihre Partei mahnte sie: „Wir müssen von Zeit zu Zeit in einer Volkspartei auch aushalten, dass es unterschiedliche Gewichtungen gibt. Aber meine Aufgabe als Vorsitzende ist, dass sich alle in dieser Partei zu Hause fühlen.“ Angela Böhm