Bundeswehr-Universität in Neubiberg - stramm rechts?

Der jüdische Historiker (70) unterrichtete von 1981 bis 2012 an der Bundeswehr-Universität Neubiberg Neuere Geschichte. Seine Studenten waren in erster Linie Offiziersanwärter.
AZ: Herr Professor Wolffsohn, Sie haben jahrzehntelang an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg gelehrt – wie rechts ist die Hochschule?
MICHAEL WOLFSSOHN: Ich bin überhaupt nicht überrascht von den Vorgängen. Im Gegenteil. Ich sage das seit Jahren. In meinem neuen Buch "Deutschjüdische Glückskinder" habe ich folgende Anekdote beschrieben: Nachdem ich an der Universität diese seltsamen kameradschaftlichen Gesänge gehört habe, fragte ich meine Studenten einmal, wo diese Rechtsextremisten denn nun seien. Die antworteten mir: Na, Herr Professor, die kommen doch nicht in ihre Vorlesungen.
Haben Sie auch öffentlich vor der Gefahr von Rechten in der Truppe gewarnt?
Natürlich! Aber die Verteidigungsminister zu Guttenberg und de Maiziére haben alles versucht, Aussagen von mir zu diesem Thema zu verhindern. Da habe ich einen Kampf nach dem anderen geführt, seit die allgemeine Wehrpflicht 2011 abgeschafft worden ist.
Die jetzige Ministerin Ursula von der Leyen ist da anders?
Sie räumt wenigstens auf, und sie tut es sofort. Da stehe ich voll hinter ihr. Ich verstehe auch den Vorwurf vieler nicht, sie denke nur an ihre Karriere. Was ist verwerflich daran, an die Karriere zu denken?
Nichts natürlich. Wie groß ist Ihrer Meinung nach das Problem mit den Rechten in Uniform denn wirklich?
Da sollte man schon die Proportionen wahren. Die Bundeswehr ist kein Haufen von Rechtsextremisten. Aber man sollte sich anschauen, was für Leute zur Bundeswehr gehen.
Drei Gruppen
Nämlich?
Ich unterscheide grob in drei Gruppen. Die erste ist die der hochmotivierten Idealisten. Sie dienen, weil sie hinter der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundeswehr stehen. Sie wissen, dass es mehr um Friedensmissionen geht als darum, die Welt zu erobern. Gerade in dieser Gruppe findet sich übrigens eine ganze Menge Offiziere ausländischer Herkunft, viele Deutsch-Türken, sogar einen Deutsch-Chinesen habe ich unterrichtet. Sie sagen, dass sie dem Land, das ihnen eine Chance gegeben hat, etwas zurückgeben wollen.
Und die zweite Gruppe?
Das sind meist Menschen, die im zivilen Arbeitsmarkt keinen Job gefunden haben. Oft stammen sie aus strukturschwachen Regionen, oft aus dem Osten, in dem der Rechtsextremismus stärker ausgeprägt ist, wie auch neue Studien belegen.
Die dritte Gruppe?
Das ist die Gruppe der Extremisten. Die sind nicht unbedingt rechts, es wurden zum Beispiel bereits 20 Islamisten aus dem Bundeswehrdienst entlassen, 60 weitere werden observiert. Ein Problem, das es auch in anderen Berufsarmeen gibt, in den USA, in Großbritannien, in Frankreich.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie hat sich Michael Wolffsohn, der deutsche Historiker jüdischen Glaubens, die langen Jahre an der Bundeswehr-Uni gefühlt?
Sehr wohl. Ich habe noch ganz viele persönliche Kontakte zu meinen ehemaligen Studenten, von denen die meisten heute Offiziere sind. Sie haben mir auch sehr herzlich zu meinem 70. Geburtstag am Mittwoch gratuliert.
Unter Studenten der Bundeswehr-Universität München besteht womöglich seit Jahren ein rechtsextremes Netzwerk. Recherchen der Süddeutschen Zeitung zufolge gibt es Verbindungen zwischen Studenten und Absolventen der in Neubiberg angesiedelten Universität und der rechtsextremen sogenannten "Identitären Bewegung", die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Wie aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestages verlautete, überprüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) derzeit vier Studenten der Münchner Bundeswehr-Universität wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus. Der Nachrichtendienst muss unter anderem ermitteln, ob die Studenten auch Kontakt hatten zu dem terrorverdächtigen Oberleutnant Franco A. oder zu seinem mutmaßlichen Komplizen Maximilian T., der in Neubiberg studierte. Die beiden Soldaten stehen im Verdacht, einen Anschlag geplant zu haben.
Insgesamt überprüft der Militärische Abschirmdienst derzeit 284 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in der Truppe, darunter finden sich insgesamt auch elf Studenten.