Bundeswehr in der Kritik: Kampf an allen Fronten

„Fehler, Tragödie, nicht hinnehmbar“: Durch den verhängnisvollen Angriff zieht die Bundeswehr harsche Kritik der Verbündeten in Nato und EU auf sich. Der Job von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird immer ungemütlicher.
von  Abendzeitung
Unter Beschuss: Verteidigungsminister Franz Josef Jung
Unter Beschuss: Verteidigungsminister Franz Josef Jung © dpa

„Fehler, Tragödie, nicht hinnehmbar“: Durch den verhängnisvollen Angriff zieht die Bundeswehr harsche Kritik der Verbündeten in Nato und EU auf sich. Der Job von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird immer ungemütlicher.

Am Pranger in Sachen Afghanistan steht Deutschland nicht zum ersten Mal: Doch während die Nato-Verbündeten sich bisher stets über den mangelnden Willen der Deutschen zum riskanten Einsatz aufregten, ist es diesmal genau andersherum. Die Deutschen haben gehandelt – aber nun ist es auch wieder falsch. Und der Job von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird immer ungemütlicher.

Es sind ausgesprochen undiplomatische Töne, die den Bundeswehrverantwortlichen in den Tagen nach dem verhängnisvollen Einsatz entgegenschlagen. „Einen groben Fehler“ beklagt Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner: „Wir müssen mit den Afghanen zusammenarbeiten, statt sie zu bombardieren.“ Als „nicht hinnehmbar“ bezeichnet Spaniens Regierungschef José Luis Zapatero den Angriff. Und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagt: „Ich verstehe nicht, dass Bomben so einfach und so schnell abgeworfen werden können.“ Da ist es nur konsequent, dass auch die EU insgesamt den Angriff als „Tragödie“ wertet.

Für die deutsche Regierung ist all das eine völlig neue Lage. Noch nie hat das befreundete Ausland eine militärische Aktion der Bundeswehr derart offen und unverhohlen kritisiert. Der Verteidigungsminister entschließt sich zu einer Art Vorwärtsverteidigung, die den Konflikt noch verschärft. „Wer uns angreift, muss wissen, dass er bekämpft wird“ – mit dieser vergleichsweise schnoddrigen Aussage startet Jung in den gestrigen Sonntag. Und er beharrt darauf, er habe „überhaupt kein Verständnis“ für die Kritik am Vorgehen der Bundeswehr in Afghanistan.

In den Nato-Staaten kommt Jungs aggressive Replik nicht gut an. Doch der Minister ist derzeit entschlossen, im Zweifel lieber eins drauf zu setzen. Denn zum einen naht die Wahl und der Minister will gerne seinen Job behalten. Zum anderen gibt es ganz explizite Drohungen von Terroristen, die deutsche Wahl als Bühne für Anschläge zu benutzen. Die haben in Jung offenbar den Schwenk zur harten Linie befördert.

Selbst der deutsche Außenminister weist nun das ungeliebte Wort „Krieg“ nicht mehr komplett von sich. Rein von der Gefahrenlage betrachtet „könnte man sagen: Ja, es ist Krieg“, gibt SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zu. Doch es gehe eben nicht gegen einen Staat, sondern gegen Terroristen. Und da spreche man besser von einem „Kampfeinsatz“.

Noch tut sich die deutsche Politik erkennbar schwer, mit der neuen Gefechtslage im Land umzugehen. Denn jahrelang mussten sich die im Norden Afghanistans eingesetzten Deutschen von den internationalen Kollegen eher milden Spott und Druck gefallen lassen. Weil der Norden damals noch als vergleichsweise ungefährlich galt und die harten Kämpfe eher im Süden stattfanden, bedrängten Amerikaner und Engländer die Deutschen, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Die Lage hat sich längst geändert. In den letzten Monaten zeichnete sich bei immer neuen Anschlägen und Kampfeinsätzen ab, dass auch die Bundeswehr vor einer immer schwierigeren Lage steht.

Zuletzt versuchte die Armee Ende Juli mit einer groß angelegten Offensive, die immer mächtiger auftretenden Taliban in die Schranken zu weisen. „Es wird alles eingesetzt, was da ist“, sagte ein Soldat. Doch die Operation „Adler“ verpuffte: Schon nach wenigen Tagen kehrten die Taliban in ihre Stellungen zurück.

Frank Müller

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