Bundestagswahl 2017: Schulz oder Gabriel - wer führt die SPD in die Wahl?

München - Ist das noch Routine – oder schon Wahlkampf? EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hetzt durch die Republik, als werde er nach Kilometern bezahlt. Kaum zurück aus Spanien, wo er sich mit Ministerpräsident Mariano Rajoy getroffen hatte, saß er am Wochenende schon wieder bei einem Anti-Rassismus-Kongress in Dresden, es folgten das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche und eine Podiumsdiskussion in Passau.
In dieser Woche wird er nach drei vollgepackten Tagen in Brüssel bei den Lateinamerikatagen in Hamburg reden, in Berlin einen Preis verliehen bekommen und ein Buch vorstellen, das sich nur mit einer Person beschäftigt: Martin Schulz. Untertitel: „Vom Buchhändler zum Mann für Europa.“
Ob das mit dem Mann für Europa so noch stimmt, ist im Moment eines der am besten gehüteten Geheimnisse von Sigmar Gabriel. Je länger der SPD-Chef zögert, die Kanzlerkandidatur zu übernehmen, desto stärker richten sich die Augen der Partei auf den umtriebigen Schulz. Dass der nichts lieber täte als Bundeskanzlerin Angela Merkel herauszufordern, gilt im Flurfunk der SPD als sicher.
Davor allerdings muss Gabriel wissen, was er selbst will. Würde er, wie zuletzt mit Peer Steinbrück, wieder einem anderen den Vortritt lassen, wären vermutlich auch seine Tage als Parteivorsitzender gezählt. Motto: Einmal kneifen geht, zweimal nicht. Ein Insider formuliert es so: „Viele erwarten, dass er jetzt selbst antritt.“
CSU gegen SPD: Das werden die Münchner Duelle bei der Bundestagswahl 2017
Kanzlerkandidat wird Anfang 2017 bekanntgegeben
Offiziell ist die Marschroute abgesteckt. „Anfang nächsten Jahres werden wir uns für einen Kanzlerkandidaten entscheiden“, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. Gabriel, fügt sie hinzu, habe als Parteichef den ersten Zugriff. „Wenn er sich für die Kandidatur entscheidet, wird ihn seine Partei mit voller Kraft unterstützen.“
Genau daran scheint er zu zweifeln. Er weiß, dass die Parteilinke ihn allenfalls aus Loyalität akzeptieren würde. Er weiß, dass er in der SPD mehr Gegner hat, als es für einen Spitzenmann gut ist. Soll er sich da in ein aussichtsloses Rennen gegen Merkel jagen lassen?
Vor drei Wochen sah alles danach aus, als wäre die berühmte Messe gelesen. Mit einer unerwartet klaren Mehrheit hatte ein Parteikonvent in Wolfsburg dem Wirtschaftsminister den Rücken für die Verabschiedung des umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta gestärkt. Anschließend war es ausgerechnet sein Vertrauter Schulz, der Gabriel attestierte, er habe in dieser kniffligen Angelegenheit seinen Führungsanspruch und seine Führungsfähigkeit demonstriert.
Sieben Jahre ist er jetzt SPD-Chef, so lange wie keiner anderer seit Willy Brandt – der natürliche Kanzlerkandidat, eigentlich. Aber sieht er das auch so? Dem wachsenden Druck, sich zu erklären, begegnet Gabriel bisher mit demonstrativer Lässigkeit. Solange die Union nicht entschieden habe, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal antritt, sieht er seine Partei nicht in Zugzwang: „Ich jedenfalls bin ganz entspannt.“
Seehofer über Bundespräsidentenwahl: Koalition will gemeinsam Gauck-Nachfolger benennen
Duell 'Schulz vs. Gabriel' eher unwahrscheinlich
Dass Schulz in einer Kampfabstimmung gegen seinen Freund Sigmar antreten würde, gilt als ausgeschlossen, dazu ist das Verhältnis der beiden zu eng. Gleichzeitig jedoch steht auch für den Vorzeige-Europäer einiges auf dem Spiel. Seine Amtszeit als EP-Präsident – so ist es in Brüssel eigentlich abgemacht – endet im Dezember. Will er anschließend nicht zwischen den Kollegen aus Malta und Zypern auf den Hinterbänken versauern, braucht der 60-jährige eine neue Karriereperspektive.
Schulz, ein glänzender Redner und geschickter Vermarkter seiner selbst, liebäugelt dem Vernehmen nach inzwischen mit einem Wechsel nach Berlin, gerne auch als Außenminister, falls Frank-Walter Steinmeier doch Bundespräsident werden sollte.
Aber als Kanzlerkandidat? Ausgerechnet der Parteitag der CDU Anfang Dezember in Essen könnte eine Antwort liefern. Sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel dort die letzten Zweifel ausräumen und ihre erneute Kandidatur ankündigen, wird auch die SPD die K-Frage nicht mehr lange offen halten können.