Bundestag einig gegen Antisemitismus

Die Unionsfraktion hatte versucht, die Linkspartei auszugrenzen bei einer gemeinsamen Erklärung gegen Judenfeindlichkeit. Doch mit einem Trick gelang es, dass sich doch alle Parteien hinter den Antrag stellten.
Zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht hat der Bundestag ein Signal gegen Antisemitismus gesetzt: Mit breiter Mehrheit verpflichteten sich die Abgeordneten zu verstärktem Kampf gegen Judenfeindlichkeit.
Die Gemeinsamkeit der Parteien wurde allerdings dadurch beeinträchtigt, dass die Union die fraktionsübergreifende Resolution nicht zusammen mit den Linken einbringen wollte. Daraufhin brachte die Linksfraktion am Dienstag den Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen nochmals wortgleich ein. An der dann gemeinsamen Abstimmung beteiligten sich elf Linksabgeordnete nicht. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, die Programme gegen Antisemitismus auf Dauer zu finanzieren und zu verstärken. Anlass ist der Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. In der NS-Propaganda wurde das Pogrom beschönigend «Reichskristallnacht» genannt. Die Nazis zerstörten Synagogen, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger und brachten Hunderte um.
Angriff gegen die Linkspartei
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), griff in seiner Rede die Linkspartei an. Er wirft ihr seit langem vor, in ihren Reihen verkappte Antisemiten zu dulden. Namentlich nannte er deren Innenexpertin Ulla Jelpke, die zusammen mit radikalen Hisbollah-Anhängern gegen Israel demonstriert habe. Jelpke gehörte zu den elf Abgeordneten, die dem Antrag nicht zustimmten. Dort wird ausdrücklich die Solidarität mit Israel als «unaufgebbarer Teil der deutschen Staatsräson» hervorgehoben. «Wer an Demonstrationen teilnimmt, bei denen Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen werden, ist kein Partner im Kampf gegen den Antisemitismus», heißt es in dem Antrag. Redner aller anderen Fraktionen verurteilten das Vorgehen der Union. Linksfraktionsvize Petra Pau sagte, Machtpolitiker hätten das Trennende im Gemeinsamen gesucht. Der FDP-Abgeordnete Christian Arendt kritisierte das «kleinliche Parteiengezänk». Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, warnte davor, Lebenslügen aufzubauen. Die Nazi-Vergangenheit sei in der DDR und der frühen Bundesrepublik lückenhaft aufgearbeitet worden. Mit der gemeinsamen Abstimmung der wortgleichen Anträge hat der Bundestag nach Worten von Künast in letzter Minute eine große Blamage verhindert.
In der Sache einig
In der Sache waren sich alle Fraktionen einig. Der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen sagte, die Pogrome seien der «Vorschein der industriellen Ermordung von Menschen» gewesen. Antisemitismus führe zum Mord an der Demokratie und dazu, Menschen auszurotten. Uhl sprach von einem «einmalig frevelhaften Verbrechen». Pau sagte: «Die Pogromnacht war die Generalprobe für den Holocaust.» Alle Redner leiteten aus der Nazi-Vergangenheit und der Ermordung der Juden eine historische Verpflichtung ab. In dem Antrag schlagen die Fraktionen einen regelmäßigen Expertenbericht zum Antisemitismus in Deutschland vor und fordern die Bundesregierung auf, das jüdische Leben weiter intensiv politisch zu unterstützten und zu schützen. Bewährte Modellprojekte gegen den Antisemitismus sollten finanziell dauerhaft abgesichert werden. Ferner soll geprüft werden, ob die bestehenden Bundesprogramme gegen Antisemitismus den Schutz von Opfern antisemitischer Straftaten ausreichend berücksichtigen. In den Schulen muss nach Auffassung der Antragsteller die Ablehnung des Antisemitismus nicht nur erlernt, sondern auch verinnerlicht werden. Antisemitismus sei noch immer ein ernstzunehmendes Problem in Deutschland, heiß es zur Begründung. «Grund zur Sorge gibt, dass Antisemitismus in allen Schichten der Bevölkerung zu finden ist.» Verwiesen wird auf verbreitete antisemitische Vorurteile, Hetze im Internet und eine hohen Zahl antisemitisch motivierter Straftaten. (dpa)