Bundesregierung uneins über Stromförderung
Berlin - "Es geht um sehr komplexe Themen, deshalb brauchen wir Zeit", sagte Altmaier vor einem Energietreffen im Bundeskanzleramt der "Financial Times Deutschland". Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler fordert zur Begrenzung der Strompreiskosten eine Reform der Vergütungen für Wind- und Solarstrom noch vor der Bundestagswahl 2013.
Altmaier unterstützt grundsätzlich Forderungen nach einer Reform, aber Sinn mache nur eine Entscheidung im Konsens. "Ich werde nur dann einen Gesetzentwurf in das Kabinett einbringen, wenn ich mir sicher bin, dass er zielführend ist, mehrere Jahre trägt und eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat findet", betonte er. Der Minister ist skeptisch, ob dies noch vor der Bundestagswahl zu schaffen ist.
Die über den Strompreis zu zahlenden Förderkosten könnten für einen Durchschnittshaushalt im kommenden Jahr von derzeit 125 auf 175 Euro steigen. Gerade einkommensschwachen Haushalten drohen dadurch starke Mehrbelastungen, zumal auch der Netzausbau, Extrakosten für den Anschluss von See-Windparks und Ausnahmen für energieintensive Unternehmen den Haushaltsstrompreis belasten.
Insgesamt machen Steuern, die Ökoenergie-Umlage und andere Abgaben bereits 45 Prozent des deutschen Strompreises aus. Allerdings geben viele Versorger durch mehr Ökostrom gesunkene Einkaufspreise laut Studien auch nicht eins zu eins an die Endkunden weiter.
Rösler kündigte an, dass die FDP noch im Herbst einen eigenen Vorschlag für eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorlegen wolle, das den Ökostromausbau mit auf 20 Jahre garantierten Vergütungen fördert. Die gezahlten und noch zu zahlenden Kosten dürften sich auf über 150 Milliarden Euro belaufen.
"Das dürfen wir nicht auf die lange Bank schieben, so wie es manche in der Union wollen", sagte Rösler "Zeit online". "Die Zeit drängt, die grundlegende Überarbeitung muss noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden."
Am Treffen am Dienstag im Kanzleramt teilnehmen sollten neben Altmaier, Rösler und Kanzleramtschef Ronald Pofalla auf Arbeitgeber- und Wirtschaftsseite Vertreter von BDI, DIHK, BDA und ZDH. Auf Gewerkschaftsseite waren DGB, IGBCE, IG Metall und Verdi eingeladen. In Regierungskreisen wurde aber dementiert, dass es sich um einen "Strompreisgipfel" handele. Mit konkreten Ergebnissen sei nicht zu rechnen.
Weichenstellungen werden von dem im September tagenden Steuerungskreis erneuerbare Energien von Bund und Ländern erwartet. Zudem soll es mit Blick auf die steigende Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien, die am 15. Oktober bekanntgegeben wird, einen runden Tisch zu den Strompreisen geben.
Verdi-Vorstandsmitglied Erhard Ott forderte einen Sozialausgleich für steigende Strompreise. Es sei mindestens eine Erhöhung der Sozialleistungen vorzunehmen, sagte er der "Rheinischen Post". Auch die Sozialverbände verlangen eine gerechtere Lastenverteilung. Es dürfe nicht sein, dass bei den Unternehmen großzügige Ausnahmen beim Strompreis gemacht würden, während die Privatkunden alles zahlen müssten, sagte die Chefin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher.
Altmaier mahnte eine Drosselung des Ausbautempos in den Ländern an, da allein die Planungen für Windparks rund 60 Prozent über dem errechneten Bedarf lägen. Würden die Parks alle gebaut, drohen Mehrkosten in Milliardenhöhe für Anlagen, die vielleicht gar nicht benötigt werden. Die Regierung hatte sich vorgenommen, bis 2020 rund 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Momentan liegt der Anteil mit 25 Prozent allerdings deutlich über Plan - bis 2020 könnte der Ökostrom-Anteil auf bis zu 50 Prozent steigen.