Bundesländer zusammenlegen? Das neue Deutschland

In der Schuldenkrise fordern immer mehr Ökonomen und Politiker die Zusammenlegung von Bundesländern. Die AZ erklärt, wie unsere Landkarte vielleicht mal aussehen könnte.
BERLIN Es ist Krise. Deutschland muss sparen. Wir müssen enger zusammenrücken. Warum nicht gleich richtig? Durch den Spardruck gewinnt die uralte Debatte über Länderfusionen wieder neu an Fahrt. Immer mehr Politiker und Ökonomen fordern die Neugliederung der Länder, Klaus Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat konkrete Vorschläge: Er will nur noch zehn Bundesländer.
Welche Länder sollen bleiben, welche nicht? Erhalten bleiben sollen nur: Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein sollen nach der Idee des DIW-Chefs zu einem großen Nordstaat fusionieren, Sachsen-Anhalt und Thüringen sollen zusammengelegt werden, genauso wie Rheinland-Pfalz und das Saarland. Niedersachsen soll Bremen schlucken und Brandenburg Berlin.
Wie könnten die neuen Länder heißen? Die AZ hat sich schon mal – nicht ganz ernsthaft – neue Namen ausgedacht: zum Beispiel „Mecklenburg-Hamburg-Holstein“ – abgekürzt MHH, ein ähnlich einprägsamer Begriff wie NRW. Oder wie wär’s mit „Thüringen-Anhalt“? Ein Sachsen gibt’s ja schon. Bremen ist so klein, das könnte ohne Probleme ganz von Niedersachsen geschluckt werden. Und Berlin-Brandenburg? Klare Sache: Das heißt in Zukunft einfach viel passender: „Preußen“.
Warum eigentlich eine Fusion? Klar: Föderalismus ist wichtig. Die Macht wird auf mehrere Schultern verteilt, die Länder können vieles eigenständig regeln, im Bund bei wichtigen Gesetzen mitentscheiden, die regionalen Identitäten werden gewahrt. Aber braucht’s wirklich 16 Bundesländer? Und damit 16 Ministerpräsidenten, 16 Parlamente, 16 Landwirtschaftsministerien, 16 Finanzministerien, 16 Justizministerien, 16 Landesämter für Denkmalpflege, 16 Landeszentralen für politische Bildung und 16 Eichämter?
Wie viel Verwaltung in einem Bundesland steckt, zeigt zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: Zur Staatskanzlei mit drei Hauptabteilungen und 20 Unterreferaten kommen: sieben Ministerien mit sieben Ministern, zehn Parlamentarischen Staatssekretären, 38 Hauptabteilungen und 260 Fachreferaten. Die Fachreferate beschäftigen sich unter anderem mit den „raumordnerischen Belangen der Abfallwirtschaft“ und den „Klageverfahren im Zusammenhang mit der Verwendungsnachweisprüfung“. Auch die Landesbanken haben sich als echter Flop herausgestellt. Und wozu braucht jedes Land eine Vertretung in Brüssel und Berlin? Vorbildlich: Schleswig-Holstein und Hamburg teilen sich ihr Büro in Brüssel.
Was bringt die Fusion? Mit dem 16-auf-10-Modell würden auf einen Schlag sechs Regierungsapparate wegfallen. Und damit zig Ministerien und Ämter. Die Parlamente könnten verkleinert werden – je nach Bevölkerung des Landes.
Der Bund der Steuerzahler hat es ausgerechnet: „Allein wenn nur zehn Prozent bei der politischen Führung, zum Beispiel durch die Zusammenlegung von Parlamenten und Ministerien, gespart würden, ließen sich schnell mindestens 500 Millionen Euro jährlich freisetzen“, sagt Verbandspräsident Karl Heinz Däke. Die gesamten Einsparpotenziale gingen „in die Milliarden“. DIW-Chef Zimmermann: „Entscheidungen könnten insgesamt viel effizienter werden.“ Und: Bisher sind die kleinen Länder aus Geld aus dem Länderfinanzausgleich angewiesen, Geber sind Bayern und Baden-Württemberg. Würden sich die kleinen Länder zusammenschließen, würden sie wirtschaftlich stärker und konkurrenzfähiger.
Was sagen die Länder dazu? Die sind wenig begeistert. Bremen hat bereits betont, man wolle unabhängig bleiben. Mecklenburg-Vorpommerns Staatskanzleichef Reinhard Meyer: „Die Zusammenarbeit der Nordländer wird zwar ausgebaut, eine Fusion kommt aber nicht in Frage.“ Überhaupt müsste eine Neugliederung des Bundesgebietes laut Artikel 29 Grundgesetz per Volksentscheid bestätigt werden. Erst einmal ist eine Fusion in Deutschland geglückt: 1952 wurde aus Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern das Land Baden-Württemberg. Es ist heute eines der wirtschaftlich stärksten Länder. Berlin und Brandenburg versuchten eine Fusion schon 1996 – aber damals votierten die Brandenburger dagegen.Annette Zoch