Bundesbank entmachtet Vorstandsmitglied Sarrazin
FRANKFURT - Er hatte sich kritisch und in plakativen Worten über in Berlin lebende Türken und Araber geäußert. Dafür wird Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin jetzt entmachtet. Die AZ dokumentiert seine provokantesten Sprüche.
Jetzt wird es einsam um Thilo Sarrazin: Nach den umstrittenen Äußerungen des Vorstandsmitglieds der Bundesbank über Ausländer in Berlin hat das Spitzengremium am Dienstag nach stundenlangen Beratungen Sarrazin entmachtet. Der 64-Jährige verliert seine Zuständigkeiten für den wichtigen Bereich Bargeld und ist künftig nur noch für Informationstechnologie und Risiko-Controlling verantwortlich.
Da auch Bundesbank-Präsident Axel Weber wegen Sarrazins umstrittenen Äußerungen schwer pikiert ist und ihm bereits den Rücktritt nahegelegt hatte, war in Bankenkreisen mit einer Entmachtung Sarrazins gerechnet worden. Für Weber ist dies die einzig mögliche Reaktion. Denn kurzerhand rauswerfen kann er Sarrazin nicht: Die Macht dazu hätte nur Bundespräsident Horst Köhler. Laut dem „Gesetz über die Deutsche Bundesbank“ werden die Mitglieder des Bundesbank-Vorstands zur einen Hälfte durch die Bundesregierung bestellt, zur anderen auf Vorschlag des Bundesrates. Der Bundespräsident ernennt die Vorstände dann für mindestens fünf, in der Regel aber für acht Jahre. Sarrazin wechselte erst Anfang 2009 auf den Frankfurter Posten.
Der ehemalige Finanzsenator Berlins hatte sich in einem Interview kritisch über in Berlin lebende Türken und Araber geäußert und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In dem Gespräch sagte das SPD-Mitglied unter anderem, eine große Zahl von Arabern und Türken in Berlin habe „keine produktive Funktion außer für den Obst-und Gemüsehandel“ und „produziere kleine Kopftuchmädchen“. Heftige Kritik kam vom Zentralrat der Juden, dem Zentralrat der Muslime sowie dem Berliner Integrationsbeauftragten, die Sarrazin zum Rücktritt aufforderten. Sarrazin hatte sich daraufhin für seine Äußerungen entschuldigt, hielt aber an seinem Amt fest.
Rückendeckung erhielt Sarrazin unterdessen vom Schriftsteller und Publizisten Ralph Giordano: Der Bundesbanker liege in der Sache richtig, habe sich aber im Ton vergriffen, sagte der Publizist: „Sarrazin beschreibt die Wirklichkeit darin so, wie sie ist, und nicht wie seit vielen Jahren von der politischen Korrektheit dargestellt.“ Auch der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel stellte sich vor seinen Ex-Mitarbeiter Sarrazin. „Ich schätze ihn sehr“, sagte der CSU-Ehrenvorsitzende dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ich würde mir wünschen, dass es mit seiner Entschuldigung sein Bewenden hat.“
Markige Sprüche jenseits aller „political correctness“ hatten Sarrazin bereits als Berliner Senator bundesweit einen Ruf als „Thilo Taktlos“ eingebracht. So empfahl er Hartz-IV-Empfängern, im Winter zu Hause dicke Pullover zu tragen, rechnete ihnen vor, dass ein Mittagessen nicht mehr als 1,15 Euro kosten müsse und ätzte: „Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern ist das Untergewicht. Ehe einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarz arbeitet.“ Den Berliner Jugendlichen attestierte er, „Schüler in Bayern können mehr ohne Abschluss als unsere mit“.
Dabei war sich Volkswirt Sarrazin offenbar nicht ganz darüber im Klaren, dass in der distinguierten Notenbank-Branche andere Regeln und ein anderer Umgangston herrschen als in der Politik.