Bootsflüchtlinge: So viele wie nie zuvor

Sie sitzen in morschen Seelenverkäufern und legen ihr Leben in die Hände von Menschenschmugglern. Noch nie gab es so viele Bootsflüchtlinge. Vor allem das Mittelmeer ist eine tödliche Falle.
von  dpa

Genf/Rom - Kriege und Konflikte haben die Zahl der Bootsflüchtlinge nach UN-Schätzung in diesem Jahr auf ein Rekordhoch getrieben. Die tödlichste und am meisten genutzte Route der Welt war das Mittelmeer: Bei der Überquerung kamen seit Januar 3419 Menschen ums Leben, teilte die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR am Mittwoch in Genf mit. Europa sei derzeit das Hauptziel der Bootsflüchtlinge.

Der Grund seien Konflikte in Syrien, im Irak und in Libyen. Insgesamt nahmen demnach weltweit rund 348 000 Menschen gefährliche Schiffsüberfahrten auf sich, um bewaffneten Konflikten, Verfolgung oder wirtschaftlicher Not zu entkommen. Die Zahlen exakt zu erfassen sei schwierig, aber alles deute auf einen Rekord hin. Etwa 4270 seien dabei ums Leben gekommen. Das Mittelmeer überquerten rund 207 000 Menschen. Das waren fast dreimal so viele wie 2011 zu Zeiten des Bürgerkriegs in Libyen.

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Die UN-Organisation warnte, dass die internationale Gemeinschaft nicht genug tue, um Menschenleben zu retten. Stattdessen würden Küstenländer und "regionale Blöcke" darum rangeln, wie das wachsende Problem in den Griff zu bekommen sei. Für viele Regierungen sei es wichtiger, Flüchtlinge aus dem Land zu halten als Asyl zu gewähren, kritisierte UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. "Das ist ein Fehler und eine falsche Reaktion, vor allem in einer Zeit, in der eine Rekordzahl von Menschen vor Kriegen flieht." Man könne einen Menschen, der sein Leben retten will, nicht mit Abschreckung stoppen.

Besonders betroffen von dem Flüchtlingsstrom sind Mittelmeerländer wie Italien, Malta und Spanien. In Italien hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit ihrer Mission "Triton" im November das Flüchtlingsrettungsprogramm "Mare Nostrum" abgelöst. Menschenrechtler kritisieren, dass nun vor allem die Grenzsicherung im Mittelpunkt stehe und nicht mehr die Rettung von Menschen in Not. Die Parteivorsitzende der Grünen, Simone Peter, sprach angesichts der Rekordzahl von einer Schande für Europa. "Mare Nostrum" sei auch auf deutschen Druck hin eingestellt worden.

Erst vor einigen Tagen starben 17 Flüchtlinge im Mittelmeer. Und am Dienstag wurden laut italienischer Medien rund 400 Flüchtlinge aus Syrien vor Sizilien gerettet. Das Schiff sei seit mehreren Tagen unterwegs gewesen. Auf dem Boot sollen auch 70 Kinder gewesen sein.

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