Bombay: War die Katastrophe vermeidbar?

Der Chef des Luxushotels Taj Mahal räumte jetzt ein: Es gab eine Terrorwarnung. Und über die generalstabsmäßige Planung der Anschläge sickern immer mehr Details durch.
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Ein mit Blumen besteckter Bambus-Zaun und Kerzen: Vor dem von Feuer und Schießereien gezeichneten Taj-Mahal-Hotel gedenkt diese junge Inderin der Toten. Foto: dpa
az Ein mit Blumen besteckter Bambus-Zaun und Kerzen: Vor dem von Feuer und Schießereien gezeichneten Taj-Mahal-Hotel gedenkt diese junge Inderin der Toten. Foto: dpa

Der Chef des Luxushotels Taj Mahal räumte jetzt ein: Es gab eine Terrorwarnung. Und über die generalstabsmäßige Planung der Anschläge sickern immer mehr Details durch.

BOMBAY Eine Stadt in der Schockstarre: Kinos und Restaurants in Bombay sind nach dem Ende der fast dreitägigen Terrorbelagerung wie leergefegt. Vielerorts fällt die Schule aus. Die Menschen haben Angst. Und viele Fragen sich jetzt: Hätte die Katastrophe verhindert werden können? Denn die Besitzer des Luxushotels Taj Mahal waren gewarnt. Das räumte Ratan N. Tata, Chef des Tata-Konzerns und Besitzer des Hotels, ein.

Das Hotel hatte vor einiger Zeit Hinweise auf mögliche Anschläge erhalten und mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen reagiert. "Auf der Einfahrt durften keine Autos parken, am Eingang haben wir einen Metalldetektor aufgestellt", sagte Tata. Tragisch: Kurz vor den Anschlägen wurden die Sicherheitsmaßnahmen wieder gelockert – warum, sagte Tata nicht. "Wir hätten nicht verhindern können, was passiert ist", sagte der Unternehmer. "Die Täter kamen durch den Hintereingang. Sie hatten alles perfekt geplant."

Ein Terrorist hat überlebt - er ist jetzt der Kronzeuge

Die indische Polizei spricht von zehn bis zwölf aktiven Kämpfern, die die Millionenmetropole fast 60 Stunden lang in Angst versetzten. Aber vermutlich stecken weit mehr Köpfe hinter den ausgefeilten Anschlagsplänen. Der wichtigste Kronzeuge der Polizei ist der 21-jährige Pakistaner Ajmal Amir Kasav. Er überlebte als einziger Terrorist, liegt derzeit verletzt in einem Polizeikrankenhaus – und ist kooperativ. "Er hat uns wertvolle Hinweise gegeben", sagte ein Polizeisprecher.

Nach einem Bericht der "India Times" war der Chefplaner der Anschläge bereits vor einem Monat nach Bombay gereist, um die Ziele genauer zu inspizieren. Seine Identität hält die Polizei geheim.

Neben dem Kopf der Gruppe reisten nach Geheimdienstangaben weitere Terroristen bereits vor Monaten nach Bombay. Eine Gruppe bezog eine Wohnung im Stadtteil Colaba in der Nähe der Luxushotels. Die Männer gaben sich als Studenten aus Malaysia aus – sie seien hochgebildet gewesen, hätten exzellent Englisch gesprochen, so die Polizei. Einige Terroristen mieteten sich sogar in dem jüdischen Chabad-Lubowitscher-Zentrum ein, in dem später das Rabbinerpaar Holtzberg kaltblütig ermordet wurde. Ebenfalls unklar ist, ob es sich bei diesen Kundschaftern um dieselben Personen handelte, die dann auch die Anschläge verübten.

Die Mörder kamen im Schlauchboot

Die Attentäter sollen – wie Kasav – erst kurz vor der Attacke aus Pakistan eingereist sein. In Karachi (Pakistan) sollen die Männer ein Boot bestiegen haben. Auf See kaperten sie dann einen indischen Fisch-Trawler. Drei der vier Besatzungsmitglieder töten sie sofort, werfen sie über Bord. Der vierte Mann muss sie in die Nähe der Küste bringen. Drei Seemeilen vor Bombay schlitzen sie ihm den Hals auf, steigen in die Schlauchboote des Trawlers und fahren gen Küste.

In der Nähe des Fischmarkts von Colaba gehen die Männer am Mittwochabend an Land. Ermittler vermuten, dass sie erst hier genaue Anweisungen erhalten. Und Waffen: zehn AK-56-Gewehre, zehn 9-Millimeter-Pistolen, zwei acht-Kilo-Sprengstoffpakete. Außerdem: Datteln, Mandeln, Wasserflaschen – Proviant für einen mehrtägigen Kampf. Um 21.20 Uhr eröffnen Kasav und ein Komplize die Attacken: Am Chattrapati Shivaj-Bahnhof feuern sie wild in die Menge, töten mehrere Pendler. Dann geht es Schlag auf Schlag, im zehn-Minuten-Takt schlagen die Attentäter zu: Im Leopold Café, im Hotel Oberoi, im Taj Mahal, im Chabad-Lubawitscher-Haus.

Während sie morden genießen die Täter ihre Berühmtheit. Immer wieder surfen sie mit ihren Handys Online-Berichte britischer Zeitungen an. Später werden bei den toten Terroristen außerdem GPS-Geräte und Satellitentelefone gefunden. In der Anrufliste: Nummern im afghanischen Dschalalabad und in Pakistan.

Kasav hat inzwischen zugegeben, von der Terrorgruppe Lashkar-e-Taiba ausgebildet worden zu sein – sie galt lange als Einrichtung des pakistanischen Geheimdienstes. Pakistans Regierung wies jede Verantwortung von sich und drohte mit 100000 zusätzlichen Soldaten an der Grenze. Schwere Vorwürfe wurden auch gegen Indiens Innenminister laut: Die Sicherheitskräfte seien stümperhaft vorgegangen. Minister Shivraj Patil trat gestern zurück.

Annette Zoch

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