Böhmer löst überall heftige Empörung aus

«Ich bin entsetzt», «Er hätte besser geschwiegen», «Humbug»: Die Reaktionen auf Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Böhmer sind quer durch alle Parteien eindeutig.
von  Abendzeitung
Wolfgang Böhmer ist ein Freund provokanter Aussagen
Wolfgang Böhmer ist ein Freund provokanter Aussagen © dpa

«Ich bin entsetzt», «Er hätte besser geschwiegen», «Humbug»: Die Reaktionen auf Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Böhmer sind quer durch alle Parteien eindeutig.

Mit Empörung haben Politiker unterschiedlicher Parteizugehörigkeit auf Aussagen des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer reagiert. Er hatte das liberale Abreibungsrecht der DDR für Kindsmorde in Ostdeutschland verantwortlich gemacht. Der CDU-Politiker und Gynäkologe sagte laut «Focus», womöglich sei die Tötung von Neugeborenen für manche ostdeutsche Frau «ein Mittel der Familienplanung». In der DDR sei der Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche freigegeben worden, sagte der CDU-Politiker, der früher als Chefarzt einer Entbindungsklinik arbeitete. «Die Frauen entschieden, ohne sich auch nur einmal erklären zu müssen. Das wirkt bis heute nach.»

Die Grünen forderten daraufhin Böhmers Rücktritt. Die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sagte, der CDU-Politiker sei als Ministerpräsident untragbar. Er stelle juristisch und moralisch legale Abtreibung mit strafrechtlich zu verfolgender Kindstötung auf eine Stufe. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der «tageszeitung» (taz), Böhmer verunglimpfe pauschal alle ostdeutschen Frauen. Böhmers Vorgänger Reinhard Höppner (SPD) sagte der «taz»: «Wer so über Menschen redet, für die er mit verantwortlich ist, kann seine Aufgabe als Ministerpräsident nicht mehr wahrnehmen. Ich bin entsetzt.» Es sei auch sachlich falsch, Kindstötungen auf eine DDR-Mentalität zurückzuführen. In den aktuellen Fällen seien die Mütter meist sehr jung gewesen. «Da wirkt nicht die DDR-Mentalität nach, die kommen mit den heutigen Verhältnissen nicht klar», sagte Höppner.

«Er hätte besser geschwiegen»

Die Linke-Politikerin Petra Pau sagte, die Erklärungen für die Kindstötungen würden immer absurder. Böhmer disqualifiziere sich selbst: «Er hätte besser geschwiegen.» FDP-Landeschefin Cornelia Pieper bezeichnete Böhmers These in der «Mitteldeutschen Zeitung» als «Humbug». Die FDP-Bildungsexpertin vermutet einen indirekten Angriff auf die geplante Ausweitung der frühkindlichen Betreuung in Krippen.

«Kein Ost-West-Problem»

Aber auch aus Böhmers eigener Partei kam Widerspruch: «Da fällt einem erst mal nichts Vernünftiges zu ein», sagte der Sozialexperte der CDU-Landtagsfraktion, Markus Kurze, derselben Zeitung. Die sächsische Sozialministerin Helma Orosz (CDU) wies die Äußerungen Böhmers (beide CDU) zu den Ursachen von Kindstötungen in Ostdeutschland scharf zurück: «Kindstötungen sind nicht das Ergebnis krimineller Familienplanung, sondern in aller Regel auf soziale Ursachen zurückzuführen. Deshalb ist das auch kein Ost-West-Problem», sagte sie der «Leipziger Volkszeitung». Soziale Brennpunkte gebe es im Osten wie im Westen. (AP)

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