BND-Ausspähung irritiert die Türkei
Der BND überwacht angeblich den Nato-Partner Türkei und hat demnach auch US-Außenminister belauscht - und das nach der öffentlichen Empörung über die Ausspähung der Amerikaner. Ankara ist wenig begeistert. Auch die Opposition in Berlin verlangt eine Erklärung.
Berlin - Die türkische Regierung bat den deutschen Botschafter zum Gespräch und verlangte Aufklärung über die Medienberichte, wonach der deutsche Auslandsgeheimdienst BND den Nato-Partner bereits seit Jahren ausforscht. Die Bundesregierung wollte diese Berichte auch am Montag nicht öffentlich kommentieren - genauso wenig die Meldungen über abgefangene Telefonate zweier US-Außenminister. Die Opposition will eine öffentliche Erklärung von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Nach Medienberichten steht die Türkei im "Auftragsprofil" der Bundesregierung für den BND aus dem Jahr 2009, das bis heute gültig ist, als offizielles Aufklärungsziel. Der BND soll zudem mindestens ein Gespräch von US-Außenminister John Kerry abgehört haben, das 2013 als "Beifang" im Überwachungsnetz des Dienstes gelandet sein soll - ähnlich wie 2012 ein Telefonat von Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton. "Der Spiegel" sowie die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR hatten am Wochenende über die Spähaktionen des BND berichtet.
Aus dem türkischen Außenministerium hieß, sollten sich die Berichte bewahrheiten, wäre dies eine ernste Angelegenheit. Man erwarte "eine offizielle und zufriedenstellende Erklärung und - falls die Behauptungen zutreffen - ein sofortiges Ende dieser Aktivitäten".
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte, das Gespräch des deutschen Botschafters Eberhard Pohl mit einem Vertreter des türkischen Außenministeriums sei in freundlicher Atmosphäre verlaufen. "Es war ausdrücklich keine Einbestellung."
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz sagte in Berlin, sie könne die Medienberichte zu den BND-Aktivitäten in keiner Weise bestätigen. Der Ort für Aufklärung sei das Bundestags-Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Die Regierung habe das Gremium bereits im Juli von sich aus über einen Teil des Sachverhalts informiert. Die Unterrichtung über alles Weitere werde "zeitnah" folgen. Nähere Angaben machte sie nicht. Der BND lehnte es am Montag weiter ab, sich öffentlich zu den Berichten zu äußern.
Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Es stimmt, dass wir in Teilen auf Sachverhalte hingewiesen wurden, aber sehr abstrakt und ohne Nennung von Namen."
Den Medienberichten nach wurde die Abschrift des Clinton-Telefonats beim BND aufmerksam gelesen, bevor - wie in solchen Fällen üblich - die Vernichtung angeordnet wurde. Den Auftrag dazu habe ausgerechnet derjenige Mitarbeiter bekommen, der im Juli als mutmaßlicher Agent im Dienst des US-Geheimdienstes CIA verhaftet wurde. Eine Kopie der Abschrift soll sich unter den 218 Dokumenten befinden, die der Mann den USA geliefert haben soll.
Diese 218 Dokumente liegen dem Kontrollgremium laut Binninger inzwischen vor und werden nun gesichtet. Dann werde entschieden, ob eine Sondersitzung des Gremiums zu den Aktivitäten des BND nötig sei, sagte er. Die nächste reguläre Sitzung steht am 10. September an.
Die Abgeordneten von Linken und Grünen in der Runde, André Hahn und Hans-Christian Ströbele, forderten von Merkel öffentliche Aufklärung zu den BND-Aktionen. Die Regierung dürfe nicht nur in geheimer Sitzung darüber informieren, sagten sie der dpa.
Linksfraktions-Vize Jan Korte forderte die Regierung auf, den Bundestags-Innenausschuss in einer Sondersitzung über die Vorgänge zu unterrichten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt beklagte, die Regierung wolle offensichtlich verschleiern statt aufklären.
Der Grünen-Abgeordnete und frühere Fraktionschef Jürgen Trittin nannte die BND-Tätigkeit in der Türkei indes gerechtfertigt. Der "Berliner Zeitung" sagte er, auch ein zufälliges Mithören von Ministertelefonaten sei etwas anderes als das systematische Ausspähen des Parteihandys der Kanzlerin durch den US-Geheimdienst NSA.
Auch zahlreiche Unions-Politiker verteidigten das Vorgehen des BND. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte ebenfalls, es sei nachvollziehbar, dass der BND in den Grenzgebieten zur Türkei zur Terrorabwehr aktiv sei.