Blutbad in der Türkei

46 Menschen sterben bei einem Anschlag in Reyhanli. Neun Verdächtige sind gefasst. Ankara sieht die Hintermänner im syrischen Regime von Baschir als Assad – und droht mit Konsequenzen
von  tan

ANKARA Es ist der schwerste Anschlag in der Türkei seit vielen Jahren: 46 Menschen sind ums Leben gekommen, 140 wurden verletzt, als in der Grenzstadt Reyhanli zwei Autobomben hochgingen. Die türkische Regierung macht das Assad-Regime in Syrien dafür verantwortlich. Der Anschlag könnte den Konflikt weiter verschärfen. Die Türkei, die immer tiefer in den syrischen Krieg verstrickt wird, denkt über Vergeltung nach.

Der erste Sprengsatz explodierte am Samstag Nachmittag vor dem Rathaus, der zweite 500 Meter entfernt vor der Post: In dieser Gegend erledigten viele Menschen gerade ihre Wochenend-Einkäufe oder waren im Stadtpark. Nach den Anschlägen zogen Jugendliche herum, demolierten Autos mit syrischen Kennzeichen und schlugen die Scheiben syrischer Läden ein.

Dass die Tat etwas mit Syrien zu tun hat, ist höchstwahrscheinlich. Reyhanli liegt nur acht Kilometer von der Grenze entfernt. 20 000 syrische Flüchtlinge sind in dem 60 000-Einwohner-Ort untergekommen. Er ist gleichzeitig der Hauptumschlagplatz für humanitäre Güter, aber auch Waffenlieferungen für die Rebellen. Ohnehin ist die Mehrheit der Einwohner syrischer Abstimmung: Reyhanli gehört erst seit 1939 zur Türkei, Damaskus erhebt immer noch Anspruch auf das Gebiet.

Aber welche der syrischen Fraktionen steht hinter dem Anschlag? Die Hinweise deuteten gestern massiv auf den syrischen Geheimdienst des Assad-Regimes. „Wir haben herausgefunden, dass die Angreifer und ihre Organisation Beziehungen zum syrischen Geheimdienst unterhalten haben“, so Vizeregierungschef Besir Atalay. Er bezog sich unter anderem auf die Nummernschilder der beiden Bombenautos. Atalay sagte deutlich, dass die syrische Opposition oder die syrischen Flüchtlinge nichts mit der Tat zu tun hätten. Innenminister Muammar Güler sagte: „Die Organisation und die Leute dahinter sind identifiziert.“ Auch in Syrien selbst erklärten die Aufständischen, sie hätten nichts mit „diesem grausamen Verbrechen“ zu tun, das nur „Zwietracht säen“ wolle. Offenbar solle das türkische Volk dafür bestraft werden, dass es den Rebellen in Syrien helfe.

"Wir werden alles Nötige unternehmen"

In der Tat gehört die türkische Regierung von Recep Tayyip Erdogan zu den schärfsten Kritikern des Assad-Regimes und ist – auch dank der geografischen Lage – der wichtigste Unterstützer der Aufständischen. Gleichzeitig halten es türkische Ermittler auch für denkbar, dass vor allem die syrischen Flüchtlinge in Reyhanli Ziel der Bomben waren. Unter ihnen sind zahlreiche Soldaten, die aus Assads Armee desertiert sind.

Die syrische Regierung wies die Vorwürfe aber zurück. Informationsminister Omran al-Subi sagte, die Türkei sei selbst schuld, weil sie zugelassen habe, dass die Grenzregion zum Zentrum des internationalen Terrorismus geworden sei. Wenig später vermeldeten die türkischen Ermittler die Festnahme von neun Verdächtigen, alle türkische Staatsbürger. Einige hätten bereits gestanden. Sie hätten Verbindungen zu Assads Milizen. „Wenn wir beweisen können, dass Assad etwas damit zu tun hat, werden wir alles Nötige unternehmen“, so Vizeregierungschef Bülent Arinc.

Damit könnte der Brandherd Syrien nochmal gefährlicher werden. US-Außenminister John Kerry sprach von „schrecklichen Nachrichten“: „Die USA stehen an der Seite ihres Verbündeten Türkei.“ Das Weiße Haus denkt ohnehin gerade darüber nach, welche Konsequenzen es aus dem vermuteten Einsatz von Giftgas in Syrien zieht.

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