Bitte mehr Grautöne

...statt einer Schwarz-Weiß-Sicht: Nicht nur Putin zündelt, sondern auch die ukrainische Übergangsregierung, schreibt AZ-Vize Timo Lokoschat.
Timo Lokoschat |
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Eine Frau in Donezk schaut nach einem Raketenangriff der ukrainischen Armee durch das Fenster ihrer zerstörten Wohnung.
dpa Eine Frau in Donezk schaut nach einem Raketenangriff der ukrainischen Armee durch das Fenster ihrer zerstörten Wohnung.

Man muss kein Putinversteher sein, um das Vorgehen der ukrainischen Zentralregierung gegen die Rebellenhochburg Donezk zu kritisieren. Mit einem Raketenwerfer in eine Innenstadt zu feuern, ist ein glasklares Kriegsverbrechen.

Immerhin Frankreichs Präsident Francois Hollande rügte den Angriff und bat die ukrainische Armee offiziell um „Zurückhaltung“. Human Rights Watch spricht schon länger von „Kriegsverbrechen“, da die Ukrainer zielungenaue Geschosse wie Katjuschas gegen die Millionenstadt einsetzen.

Vorfälle, die mindestens einen Grauton in einen gerne Schwarz-Weiß gezeichneten Konflikt mischen.

Ins bisherige simple Muster passen auch die Erklärungsversuche westlicher Politiker, warum die von Putin ins Feld geführte Sezession des Kosovo kein Präzedenzfall sei und auf der Krim alles ganz anders. 1999 waren den USA weder Völkerrecht und Verfassung noch die Meinung des gesamten serbischen Landes wichtig – dabei war das Kosovo keine jugoslawische Teilrepublik wie etwa Slowenien oder Kroatien, sondern eine Provinz Serbiens und damit klar dessen Staatsgebiet, und die hofierte UCK nicht nur „Befreiungsarmee“, sondern nach heutigen Erkenntnissen auch „Terrororganisation“.

Aktuell drängt sich der Eindruck auf, dass Sezessionen aus bestehenden Staaten vom Westen nur dann gutgeheißen werden, wenn es ihm in den Kram passt: Eine Loslösung des von den USA unterstützten Kosovo vom russlandtreuen Serbien ging klar. Hawaii wurde von den USA annektiert. Panama durfte sich von Kolumbien abspalten. Den Kurden wird ein solches Recht seit Jahrzehnten verwehrt, weil ein Nato-Partner betroffen wäre. Der Krim jetzt ebenfalls.

Die westliche Außenpolitik wäre glaubwürdiger, wenn sie konsequent bei einer Linie bliebe, etwa die territoriale Integrität von Staaten höher bewertet als das Selbstbestimmungsrecht einer Volksgruppe. Oder umgekehrt.

Ein Argument gegen die Kosovo-Analogie lautet, dass es dort mehr Opfer gegeben habe. Abgesehen davon, dass die Zahl der Toten in diesem Konflikt mit über 2000 schon jetzt weit höher liegt als bei Beginn der Nato-Intervention 1999, tut auch die ukrainische Regierung derzeit nicht viel, sie nicht weiter steigen zu lassen.

Nicht nur Putin zündelt, sondern auch die „Übergangsregierung“ in Kiew. Sollte Donezk erstürmt werden, drohen Gewaltexzesse gegen den russischen Teil der Bevölkerung. Spätestens dann rückt der Kosovo-Vergleich immer näher.

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