Big Brother im Büro: Wenn der Chef zum Schnüffler wird
MÜNCHEN - Schnüffeln, Ausspähen, Ausleuchten: Firmen scheuen keinen Aufwand, um die Belegschaft zu überwachen. Die Affäre bei der Deutschen Bahn mit ihrem Chef Hartmut Mehdorn, ist das jüngste Beispiel. Die AZ erklärt, was die Chefs dürfen - und was nicht. So wehren Sie sich gegen ihre neugierigen Vorgesetzten!
Niemand ist sicher. Der groß angelegte Spähan-griff auf die 220000 Beschäftigten der Bahn führt Arbeitnehmern vor, wie sehr sie ihren Chefs ausgeliefert sind: Internet-Surfen im Büro, private Telefonate – praktisch jede persönliche Äußerung seiner Beschäftigten kann der Arbeitgeber kontrollieren.
Was ist technisch möglich?
Alles. Viele Unternehmen verwenden zur Kontrolle ihrer Angestellten spezielle Spitzel-Software, die jede Tastatur-Eingabe, jeden Mausklick protokolliert. „Orvell Monitoring ist zur vollständigen visuellen Überwachung aller PC-Aktivitäten entworfen – ausführlich bis zum letzten Tastenanschlag“ lobt beispielsweise die Saarbrücker Firma „Protectcom“ ihre neueste Software. Auch Telefonate, die immer öfter übers Firmen-Netzwerk geführt werden, werden protokolliert – selbst ohne Big-Brother-Programme: Der Firmenadministrator, für die Pflege der Computersysteme zuständig, kann sich in der Regel alles auf den Bildschirm holen, was die Angestellten auf ihrem Bildschirm hatten.
Dürfen Beschäftigte am Arbeitsplatz surfen?
Grundsätzlich hat der Beschäftigte seine Arbeitszeit mit Arbeit zu verbringen, Firmeneigentum darf nicht privat genutzt werden. Das gilt erst recht, wenn die Firma privaten E-Mail-Verkehr und Surfen verbietet. Allerdings unterstellen die Arbeitsgerichte, wenn keine ausdrücklichen Regelungen getroffen wurden, dass private Internet-Nutzung in geringem Umfang geduldet wird.
Darf der Chef E-Mails und Seiten, die Beschäftigte aufrufen, lesen?
„Kommt darauf an“, sagt der Münchner Rechtsanwalt Frank Achilles. Wenn die private Internetnutzung verboten wurde, dürfe der Arbeitgeber zumindest im begründeten Einzelfall kontrollieren. „Ein pauschaler Zugriff auf eine große Zahl von Nutzern wie bei der Bahn ist aber unzulässig“, so Achilles. Auch die Löschung der Bahn-Mails, in der die Lokführer-Gewerkschaft zum Streik aufrief, hält Achilles für grenzwertig.
Hat er die Internet-Nutzung sowie private E-Mails und Telefonate erlaubt, sind dem Chef sowieso die Hände gebunden, sagt Achilles. „Der Betrieb wird dann einem Telekommunikations-Dienstleister wie der Telekom oder Vodafone gleichgestellt.“ Jegliche Überwachung ist in diesem Fall tabu. Gleiches gelte, wenn der Betrieb gar nichts geregelt habe. Schließlich sei diese Situation gleichbedeutend mit der Duldung der privaten Nutzung – der Betrieb müsse also davon ausgehen, dass E-Mails oder Internetaktivitäten privaten Charakter haben können. Wer sie liest, mache sich strafbar. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagt Achilles. Selbst eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat gebe dem Arbeitgeber keinen Freibrief, die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten einzuschränken.
Was darf der Chef auf keinen Fall?
Er darf seine Beschäftigten nicht ohne konkreten Anlass rund um die Uhr ausspionieren. Werden neue Kontrollen eingeführt, muss die Belegschaft darüber informiert werden. Beim Thema Kamera- und Mikrofonüberwachung sind die Gerichte besonders empfindlich. Kameras und Mikrofone dürfen nur bei konkretem Verdacht eingesetzt werden – und auch dann nur für eine begrenzte Zeit. Toiletten, Duschen und Umkleideräume sind dabei tabu.
Welchen Einfluss hat der Betriebsrat?
Er hat bei allen Überwachungs-Programmen ein Mitbestimmungsrecht. Freilich stimmt der Betriebsrat den Maßnahmen oft zu.
Was passiert, wenn der Chef Beschäftigte illegal ausspioniert?
Er darf die Daten nicht für eine Kündigung verwenden. Der Gewerkschaftsbund berichtet von einer Bäckerei-Mitarbeiterin, die ihre Chefin im Gespräch mit Kollegen ein „faules Biest“ nannte. Das Mikrofon einer Überwachungskamera zeichnete das auf. Vor Gericht durfte die Aufzeichnung nicht zur Kündigung genutzt werden.
Susanne Stephan
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