BGH-Urteil zu Sparkassen: Das Ende der Willkür

KARLSRUHE/MÜNCHEN/NÜRNBERG - Der Bundesgerichtshof kippt eine Klausel, mit der die Sparkassen bisher Zinsen und Preise fast beliebig festlegen konnten. Jetzt müssen die Geldhäuser möglicherweise hunderttausende Kreditverträge ändern, meinen Verbraucherschützer. Die Institute selbst geben sich gelassen.
Das ärgert Bankkunden schon lange: Die Leitzinsen fallen, und die Banken und Sparkassen geben das bei der Guthabenverzinsung schnell weiter. Bei Kredit- und Dispozinsen hingegen geht’s dagegen nur langsam runter (siehe Grafik). Jetzt hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, die eine solche Zinspolitik zu Lasten der Kunden künftig erschwert.
Der BGH kippte eine Klausel, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aller Sparkassen steht. Danach können die Institute Zinsen und Gebühren weitgehend willkürlich „unter Berücksichtigung der Marktlage“ festlegen. Das geht nun nicht mehr. Die BGH-Entscheidung sei „ein Meilenstein für den Verbraucherschutz“, sagt die Wiesbadener Anwältin Heidrun Jakobs, die das Urteil für die Schutzgemeinschaft für Bankkunden erstritten hat. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Urteil.
Was kritisieren die BGH-Richter? Die Sparkassen können Preise und Zinsen einseitig anpassen, ohne dass dem Kunden der Grund dafür klar ist. Sinken die Kosten der Sparkassen, gäbe es „keine Verpflichtung zur Senkung der Entgelte“. Steigen die Kosten, könnten die Geldhäuser Gebühren und Zinsen für die Kunden fast beliebig erhöhen. So könnten sie Preisänderungen missbrauchen, um ihre Gewinne zu steigern. Das benachteilige die Kunden.
Was bedeutet das Urteil für die Sparkassen? Anwältin Jakobs spricht von einem „Fiasko für die Institute“. Sie müssten nun hunderttausende von Kreditverträgen neu berechnen, in denen Zinsen zuungunsten der Kunden angepasst wurden. Beim Sparkassenverband hieß es dagegen: Die Klausel komme in der Praxis nur selten zur Anwendung. Ansonsten hielten sich die Sparkassen auffallend bedeckt: Die Hausjuristen müssten das Urteil erst prüfen, hieß es bei der Stadtsparkasse München. Die Stadtsparkasse Nürnberg wollte sich überhaupt nicht äußern.
Was sollen Kunden jetzt tun? Die Schutzgemeinschaft rät, Verbraucherkreditverträge von den Sparkassen neu berechnen zu lassen. „Die Kunden sollten zu viel gezahlte Zinsen zurückfordern“, so Anwältin Jakobs. Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, meint: Wem die Bank Kreditzinsen erhöht oder Guthabenzinsen gesenkt hat, sollte mit Verweis auf das BGH-Urteil eine Korrektur verlangen. Er gibt aber zu bedenken: „Die Bank kann andere Gründe als die AGB-Klausel für Preisänderungen anführen – etwa gestiegene Risiken wegen der Finanzkrise.“
Gilt das Urteil auch für andere Banken? Zunächst betrifft es nur die Sparkassen. „Langfristig wird es aber überall durchschlagen“, glaubt Niels Nauhauser. Privat- und Volksbanken hätten ähnliche Klauseln. An deren Stelle müsse nun eine Regelung treten, die nachvollziehbar mache, wie die Banken Zinsen und Gebühren anpassen. „Der BGH verlangt hier eindeutig mehr Transparenz.“
A. Jalsovec