Bewerbungstour bei der SPD-Basis: Sigmar Gabriel im Hofbräukeller

Im Münchner Hofbräukeller wirbt der künftige SPD-Vorsitzende gemeinsam mit der designierten Generalsekretärin Andrea Nahles um die Gunst der verunsicherten Genossen.
von  Abendzeitung
Sigmar Gabriel und Andrea Nahles.
Sigmar Gabriel und Andrea Nahles. © dpa

MÜNCHEN - Im Münchner Hofbräukeller wirbt der künftige SPD-Vorsitzende gemeinsam mit der designierten Generalsekretärin Andrea Nahles um die Gunst der verunsicherten Genossen.

Sigmar Gabriel ist zu Beginn die Demut in Person: Als der designierte SPD-Chef am Sonntagabend den rappelvollen Saal im Münchner Hofbräukeller betritt, winkt er nur kurz und scheinbar verschüchtert in die Menge. Zusammen mit seiner künftigen Generalsekretärin Andrea Nahles setzt er sich, nippt kurz am Bier – und zieht für den weiteren Verlauf des Abends Wasser und Kaffee vor.

Das ziemt sich auch: Denn Gabriel und Nahles sind auf Bewerbungstour bei der SPD-Basis, nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der altehrwürdigen Partei steht auf dem Spiel: Quer durch die Republik stellt sich das neue Führungstandem, das am kommenden Wochenende auf dem Parteitag in Dresden gewählt werden will, der Diskussion mit den gekränkten und verunsicherten Genossen. Klägliche 23 Prozent hat die SPD gerade noch geholt bei der Bundestagswahl, im Vergleich zu 1998 hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.

Gabriel fühlt sich mitverantwortlich für das Wahldesaster

„Wenn eine Partei in alle Richtungen verliert, dann hat sie eines nicht, ein klares Profil“, ruft Gabriel, der seine Partei in einem „katastrophalen Zustand“ sieht. Der Niedersachse baut seine Bewerbungsrede geschickt auf. Zunächst räumt er zerknirscht Mitschuld ein am Wahldesaster: „Ich fühle mich mitverantwortlich für alles, was wir getan haben“, sagt er. Auch wenn die Partei gut beraten sei, „elf Jahre Regierungszeit nicht einfach in den Orkus zu werfen“, hätten viele Bürger der SPD bei dieser Wahl einfach nicht mehr geglaubt. „Wir haben Dinge getan“, sagt Gabriel, „die im Kern dem Lebensgefühl vieler Wähler widersprochen haben.“ Da nicken viele im Saal: Hartz IV, die Rente mit 67, auch der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sind die Reizthemen, die immer wieder angesprochen werden an diesem Abend.

Das Rezept des Ex-Umweltministers für seine Partei: „Die Sozialdemokratie muss die Deutungshoheit über die vor uns liegenden Herausforderungen selbst zurückgewinnen, anstatt sich wie zuletzt einfach einer neoliberalen Deutungshoheit anzupassen.“ Dazu sei auch mehr innerparteiliche Demokratie nötig, mit dem ewigen Image des zerstrittenen Haufens müsse Schluss sein: „Wir gehen manchmal mit unseren Leuten respektloser um als mit dem politischen Gegner“, barmt Gabriel. Wer wie die SPD fordere, Volksabstimmungen ins Grundgesetz aufzunehmen, „der sollte sich auch trauen, zu wichtigen politischen Fragen seine eigenen Mitglieder zu befragen“.

Andrea Nahles streichelt die Seele der Partei

Bei solchen Sätzen klatschen die über 500 SPD-Mitglieder ebenso wohlwollend, wie wenn Andrea Nahles die Seele der Partei streichelt: „Wir müssen wieder mehr Kümmerer werden“, sagt sie, „uns nicht mehr als kleineres Übel, sondern wieder als bessere Alternative darstellen.“ Eine alte Freundin habe ihr jüngst gestanden, diesmal nicht mehr die SPD gewählt zu haben. Warum? „Weil ihr euer Herz verloren habt.“

In der Diskussion wird dann sehr schnell klar, dass noch sehr viel Porzellan zu kitten ist zwischen den SPD-Oberen und ihrer Basis. Als einige Genossen im Juso-Alter Slogans wie „Schluss mit Basta“ oder „Weg mit Hartz IV“ emporrecken, rüffelt sie Gabriel: Wer etwas zu sagen habe, solle ans Mikrofon gehen und nicht Schilder hochhalten. Und: „Diese Unart, auf den Parteitagen immer Schildchen hochzuhalten, muss auch abgestellt werden!“ „Und wer hat uns die in die Hand gedrückt?“, giften die jungen Leute zurück – zu gut ist ihnen noch Erinnerung, wie ihre Oberen im Wahlkampf „Steinmeier“-Jubel verordnet haben.

Als ein Genosse dann noch darüber klagt, dass Gabriel, Nahles & Co. die neue Führungsriege im Hinterzimmer ausgekartelt hätten, und etwas von „Politbüro“ murmelt, reagiert der Kandidat dünnhäutig. So groß sei der Andrang derjenigen im Moment nicht, die in der SPD etwas werden wollten, sagt er. Außerdem zwinge den Parteitag niemand, dem Personalvorschlag zu folgen: „Ihr müsst uns nicht wählen."

Markus Jox

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