Bewegender Abschied von Wolfgang Schäuble (†81): "Papilein, jetzt ist alles erledigt"

Er war Minister, Fraktionschef und Bundestagspräsident: Wolfgang Schäuble gehörte zu den einflussreichsten Politikern der vergangenen Jahrzehnte. Nun ist er in seiner Heimatregion zu Grabe getragen worden. Seine Tochter Christine Strobl fand berührende Abschiedsworte.
von  AZ/mit Material der dpa
Die Familie mit Christine Strobl (l-r), Tochter von Wolfgang Schäuble, Ingeborg Schäuble, die Ehefrau, und Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg und Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, geht nach dem Gottesdienst bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble aus der Kirche.
Die Familie mit Christine Strobl (l-r), Tochter von Wolfgang Schäuble, Ingeborg Schäuble, die Ehefrau, und Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg und Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, geht nach dem Gottesdienst bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble aus der Kirche. © Philipp von Ditfurth/dpa

Mehrere Hundert Menschen haben in der evangelischen Stadtkirche von Offenburg Abschied vom verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble genommen. Emotionaler Höhepunkt des Trauergottesdiensts war die Rede von Christine Strobl. Die 52-jährige ARD-Programmdirektorin sprach als ältestes von vier Schäuble-Kindern und fand berührende Worte.  

Christine Strobl trauert um ihren Vater Wolfgang Schäuble

Nicht nur, dass sie sich bildhaft daran erinnerte, wie sie zwei Tage vor seinem Tod mit ihrem Vater an Heiligabend noch in der Kirche war, wie sie gemeinsam "Oh du Fröhliche" sangen und später noch ein letztes Mal zusammen im Restaurant waren.  

Mit seinen vier Kindern Christine Strobl (52), Hans-Jörg Schäuble (49), Juliane Schäuble (47) und Anna Schäuble (42), deren Partnern und den vier Enkeln war Wolfgang Schäuble immer sehr eng.
Mit seinen vier Kindern Christine Strobl (52), Hans-Jörg Schäuble (49), Juliane Schäuble (47) und Anna Schäuble (42), deren Partnern und den vier Enkeln war Wolfgang Schäuble immer sehr eng. © imago/Thomas Lohnes

"Es ist alles gut, es ist nur ein merkwürdiger Gedanke, dass du nicht mehr da bist" 

Ihre Sätze gehen zu Herzen. Am Ende ist da nicht nur die Trauer um einen großen Politiker greifbar, sondern schlichtweg die Trauer um einen Vater, um ihren Vater. "Papilein, jetzt ist alles erledigt. Wir werden auf Mama aufpassen. (...) Deine beiden Brüder warten im Himmel auf dich, denen fehlt der dritte Mann zum Skatspielen, und ganz sicher ist da oben ein besonderer Platz für dich reserviert, da müssen schließlich auch weltpolitische Probleme gelöst werden", sagte Christine Strobl. "Es ist alles gut, es ist nur ein merkwürdiger Gedanke, dass du nicht mehr da bist." 

Christine Strobl: "Papa ist ohne Mama nicht denkbar gewesen" 

"Papa, du warst ein Gesamtkunstwerk", gab sie ihrem Vater mit auf seine letzte Reise. Ihr Vater habe gezeigt, was mit Wille möglich sei, dass man nach Niederlagen wieder aufstehen könne, wie man mit sich im Reinen sei und auch, wie man würdevoll sterben könne. Sie erinnerte an den starken Durchhaltewillen ihres Vaters und daran, wie sehr das Attentat, infolgedessen Schäuble auf einen Rollstuhl angewiesen war, die Familie zusammenschweißte: "Papa ist ohne Mama nicht denkbar gewesen." Sie alle seien immer darauf ausgerichtet gewesen, dass es ihm gut gehe.

Polizisten stehen vor Beginn der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble in der evangelischen Stadtkirche von Offenburg an dessen Sarg.
Polizisten stehen vor Beginn der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble in der evangelischen Stadtkirche von Offenburg an dessen Sarg. © Philipp von Ditfurth/dpa

Das ist Wolfgang Schäubles letzter Wunsch an seine Liebsten

Als ihre Mutter im Sommer einen schweren Unfall gehabt habe, habe ihr Vater sich zusammengerissen, um ihr etwas zurückzugeben. Ihr Vater habe viele gesundheitliche Probleme gehabt, die nie in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Er habe alle mit unglaublicher Kraftanstrengung gemeistert. Und die Tochter offenbarte der Trauergemeinde auch Wolfgang Schäubles letzten Wunsch an die Liebsten: "Wir sollen glücklich sein, das Leben nutzen, unter uns zusammenhalten und auf Mama aufpassen."

Der frühere Bundesminister, Parlamentspräsident und dienstälteste Abgeordnete Wolfgang Schäuble war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Offenburg gestorben.
Der frühere Bundesminister, Parlamentspräsident und dienstälteste Abgeordnete Wolfgang Schäuble war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Offenburg gestorben. © imago/Thomas Lohnes

Auch Nancy Faeser, Friedrich Merz und Winfried Kretschmann unter den Trauergästen

Die evangelische Landesbischöfin von Baden, Heike Springhart, leitete den Trauergottesdienst. Unter den Trauergästen waren Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz und der frühere CDU-Chef Armin Laschet, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sein Vorgänger Günther Oettinger (CDU), Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU), CDU-Landeschef Manuel Hagel und der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker.

Landesbischöfin Springhart verweist auf die Kraft im Verletzlichen

Springhart würdigte Schäuble als unabhängigen Geist, beharrlichen Kämpfer für die Demokratie und weitsichtigen Europäer. "Wolfgang Schäuble hat aus einer Kraft gelebt, die größer war als er selbst. Er hat mit seiner Weisheit und der dem Schwarzwälder eigenen Mischung aus Beharrlichkeit und Verschmitztheit die demokratische Kultur in unserem Land geprägt und für den Erhalt der Demokratie gekämpft bis zuletzt", sagte sie in ihrer Predigt.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz auf dem Weg in die Kirche.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz auf dem Weg in die Kirche. © imago/Thomas Lohnes

Schäuble habe gezeigt, was möglich ist und welche Kraft im verletzlichen Leben steckt – auch nach den schicksalhaften Schüssen aus der Pistole eines psychisch kranken Mannes im Jahr 1990, die ihn in den Rollstuhl brachten. Wolfgang Schäuble habe aus dem Vertrauen gelebt, dass sein Leben gehalten gewesen sei von Gottes Gnade.

Winfried Kretschmann bei der Trauerfeier von Wolfgang Schäuble in der evangelischen Stadtkirche. Offenburg.
Winfried Kretschmann bei der Trauerfeier von Wolfgang Schäuble in der evangelischen Stadtkirche. Offenburg. © imago/Matthias Wehnert

Trauer um Wolfgang Schäuble: Riesiges Herz mit roten Rosen

Schäubles Sarg war mit schwarz-rot-goldener Flagge und Bundesadler vor dem Altar aufgebahrt, flankiert von sechs Bundespolizisten. Davor lag ein riesiges Herz mit roten Rosen und der Aufschrift "Deine Ingeborg", daneben ein Kranz seiner Familie. Auch vor der Kirche waren viele Kränze aufgestellt, unter anderem mit gelben und roten Blumen, den badischen Farben. Nach dem Gottesdienst fand vor der Kirche eine militärische Ehrung statt. 

Jean-Claude Juncker (M), ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, geht nach dem Gottesdienst bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble aus der Kirche.
Jean-Claude Juncker (M), ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, geht nach dem Gottesdienst bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble aus der Kirche. © Philipp von Ditfurth/dpa

Großes militärisches Ehrengeleit für Wolfgang Schäuble 

Anschließend wurde Wolfgang Schäuble mit einem Großen militärischen Ehrengeleit gewürdigt. Sargträger trugen unter musikalischer Begleitung den Sarg mit Schäubles Leichnam aus der Stadtkirche.

Der Sarg wird nach einem Trauergottesdienst in der Stadtkirche mit einem militärischen Ehrengeleit durch die Stadt zum Waldbachfriedhof zur Beisetzung gebracht.
Der Sarg wird nach einem Trauergottesdienst in der Stadtkirche mit einem militärischen Ehrengeleit durch die Stadt zum Waldbachfriedhof zur Beisetzung gebracht. © imago/Thomas Lohnes

Trauer um Wolfgang Schäuble: Hunderte Menschen hinter Absperrgittern

Soldaten des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung nahmen vor der Kirche in Ehrenformation Aufstellung genommen. Das Heeresmusikkorps Koblenz spielte Schäuble zu Ehren mehrere Musikstücke, darunter die deutsche Nationalhymne und den Trauermarsch aus dem Oratorium "Saul" von Georg Friedrich Händel.

Bundespräsident Steinmeier nennt Schäuble einen "Glücksfall für die deutsche Geschichte"

Hunderte Menschen standen hinter Absperrgittern und verfolgten das Geschehen. Im Anschluss sollte der Sarg in einem Trauerzug durch die Offenburger Innenstadt bis zu Schäubles letzter Ruhestätte auf dem historischen Waldbachfriedhof gebracht werden.

Anspruch auf ein Großes militärisches Ehrengeleit haben nur wenige Personen: etwa verstorbene hochrangige Bundeswehrsoldaten und Personen, deren Verdienste eine militärische Würdigung rechtfertigen, und Politiker mit besonderem Bezug zur Bundeswehr. So wurden unter anderen bereits die verstorbenen früheren Bundeskanzler Helmut Kohl und Helmut Schmidt auf diese Weise geehrt. 

Wolfgang Schäuble war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. In seiner Laufbahn hatte der Badener wichtige politische Ämter inne: Er war Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er. Sein Wirken wurde zuletzt über die Parteigrenzen gewürdigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Schäuble einen "Glücksfall für die deutsche Geschichte".

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.