Betreuung von Senioren: Zoff um neuen Pflegebericht
Berlin - Bekommen Pflegebedürftige ab dem 1. Januar wirklich so viele Leistungen wie nie zuvor? Das legt zumindest der neue Pflegebericht von Gesundheitsminister Hermann Gröhe nahe, der am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet wurde. "Die Verbesserungen, die wir für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pflegekräfte auf den Weg gebracht haben, kommen an", erklärt Gröhe bei der Vorstellung in Berlin.
Die Stiftung Patientenschutz ist allerdings ganz anderer Meinung. "Ein Blick auf die letzten 20 Jahre zeigt: Von einer positiven Bilanz bei der Pflegeversicherung kann nicht die Rede sein", sagt Vorstand Eugen Brysch. Gesundheitsminister Gröhe zieht in seinem neuen Pflegebericht eine überaus positive Bilanz. Doch Patientenschützer Brysch ist sauer: "Davon kann keine Rede sein."
Private Kassen verloren in fünf Jahren 189.000 Versicherte
Der Hintergrund: Laut Gröhes aktuellem Bericht zahlte die soziale Pflegeversicherung im vergangenen Jahr rund 26,6 Milliarden Euro aus – über ein Viertel mehr als noch 2011 (20,9 Milliarden Euro). Zudem würden zum 1. Januar die Leistungen weiter ausgebaut, insbesondere für Demenzkranke sowie für die Pflege zu Hause. Mit den Beitragserhöhungen der Pflegereformen I und II stünden dann gut fünf Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung, erklärt der Gesundheitsminister.
2017 tritt außerdem die zweite Stufe des Pflegestärkungsgesetzes II in Kraft. Dabei werden die bisherigen drei Pflegestufen automatisch in fünf Pflegegrade übergeleitet.
Bericht: Zahl der Altenpfleger um 40 Prozent gestiegen
Zudem gebe es mehr Altenpfleger, heißt es im Bericht. Ihre Zahl habe sich zwischen 2003 und 2013 um etwa 40 Prozent erhöht. Bei den Auszubildenden zur Altenpflege habe es mit rund 68.000 Schülern im vergangenen Schuljahr einen Höchststand gegeben. Auch die Pflegedokumentation sei "weniger bürokratisch und deutlich effizienter", sagt Gröhe.
Immer mehr Menschen bekommen Eingliederungshilfe
Zugleich gibt es in Deutschland allerdings immer mehr Pflegebedürftige. Zwischen 2011 und 2015 stieg die Zahl der Menschen, die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bekommen, um rund 17 Prozent auf etwa 2,7 Millionen Menschen.
Die Kritik: Nach Ansicht von Patientenschützer Brysch geht Gröhes Rechnung nicht auf. "Die Bilanz stimmt nicht", kritisiert er.
"Real bekommen die Pflegebedürftigen heute deutlich weniger Geld"
So sei bei der Pflegestufe I das Pflegegeld von 1996 bis 2016 zwar um 19 Prozent gestiegen. "Gleichzeitig jedoch betrug die Inflationsrate 32 Prozent. Real bekommen die Pflegebedürftigen damit heute deutlich weniger Geld als vor 20 Jahren", erklärt Brysch. Noch dramatischer sei die Entwicklung bei den Schwerstpflegebedürftigen in der Pflegestufe III. Ihr Pflegegeld habe sich nur um 9,5 Prozent erhöht.
"Deshalb ist es zutiefst unredlich, wenn Bundesgesundheitsminister Gröhe bei seiner Erfolgsmeldung allein die Zeit ab 2011 in den Blick nimmt", moniert der Stiftungsvorstand. Auch die Leistungsanpassungen in den vergangenen fünf Jahren hätten die Versäumnisse der Vergangenheit nicht ausgeglichen.
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