Berlusconi ruft Flüchtlings-Notstand aus
Innerhalb weniger Stunden haben ahezu 400 illegale Einwanderer die süditalienischen Küsten erreicht. Die Regierung in Rom möchte die Lage in den Griff bekommen und plant drastische Maßnahmen.
Mit der Ausrufung eines nationalen Flüchtlings-Notstands hat die konservative Regierung von Silvio Berlusconi die Befugnisse der Polizei in Italien im Kampf gegen illegale Einwanderung weiter ausgeweitet. Mit den Maßnahmen will Innenminister Roberto Maroni auf den anhaltenden Strom von Immigranten aus Afrika reagieren.
Die Mitte-Links-Opposition kritisierte die Pläne. Auch der Vatikan reagierte umgehend und forderte die Regierung auf, bei der Anwendung der neuen Maßnahmen die Menschenrechte zu respektieren. «Auch eine Hausherrin befindet sich in einer Art Notstand, wenn zwei unangemeldete Gäste kommen, aber sie wird doch versuchen, sie auf bestmögliche Weise willkommen zu heißen», hieß es in einer offiziellen Mitteilung von Bischof Agostino Marchetto. Er ist im Päpstlichen Rat zuständig für Migranten. «Der Vatikan ermahnt Berlusconi», titelte die Zeitung «La Stampa» am Sonntag. Seit ihrem Amtsantritt im Frühjahr hat Berlusconis Regierung Polizeieinsätze gegen illegale Einwanderer deutlich ausgeweitet. Erst vor wenigen Tagen hatte sie im Parlament ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das für illegales Einreisen nach Italien Haftstrafen vorsieht und Abschiebungen erleichtert. Der Vatikan ist gegen solche Maßnahmen: «Wir hoffen, dass die Menschenrechte aller eingewanderten Arbeiter und ihrer Familien ebenso respektiert werden wie die von Italien anerkannten internationalen Normen zum Umgang mit Flüchtlingen, Asyl-Antragstellern, Staatenlosen, Roma und Sinti (...) sowie denjenigen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind.»
Umstrittene Aufnahmezentren
Minister Maroni von der rechtspopulistischen Lega Nord will nach Medienangaben in allen Landesteilen zehn neue Aufnahmezentren errichten lassen. Die betroffenen Regionen, darunter vor allem die Toskana und Umbrien, sind strikt dagegen. «Wir haben schon einmal gesagt, dass wir kein solches Zentrum beherbergen wollen und unsere Position hat sich nicht verändert», erklärte der Vizepräsident der toskanischen Regionalverwaltung, Federico Gelli. Nach Angaben des Ministeriums kamen im ersten Halbjahr 2008 über 10.600 Bootsflüchtlinge an - doppelt so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damals waren es 5378. In einer erneuten Flüchtlingswelle erreichten am Wochenende innerhalb weniger Stunden nahezu 400 illegale Einwanderer die süditalienischen Küsten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Ein Nigerianer berichtete nach der Ankunft auf Sizilien, bei der Überfahrt von Libyen aus seien seine zwei und vier Jahre alten Kinder an den Folgen von Entkräftung gestorben. Sie hätten die Leichen ins Mittelmeer werfen müssen. Der Flüchtlings-Notstand war bereits 2002 erstmals in Kraft getreten. Anfang 2008 wurde er von der Mitte-Links-Regierung Romano Prodis auf die drei süditalienischen Regionen Kalabrien, Sizilien und Apulien begrenzt. Die linke Opposition griff die Pläne, die Notstandsmaßnahmen wieder auf das nationale Territorium auszuweiten, scharf an. Sie nannte die Maßnahme «verabscheuungswürdig» und sprach von einem «Polizeistaat». Am Dienstag will Maroni seine Pläne vor dem Parlament verteidigen. (dpa)
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