Berlusconi: Angeschlagener Cavaliere

BERLIN - Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu Gast bei Bundeskanzlerin Angela Merkel – er steht von vielen Seiten unter Druck.
Immerhin: Bei einem Thema waren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Silvio Berlusconi einig. „Wir beide sehen die Entwicklung in Weißrussland mit Sorge“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen mit dem italienischen Regierungschef. Das sagt viel über den Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen der nüchtern-protestantischen Managerin der Macht und dem oft überschäumenden, aber aktuell reichlich angeschlagenen Cavaliere.
Und in noch einem Punkt sei man einer Meinung, so Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem gemeinsamen Statement nach den deutsch-italienischen Regierungskonsultationen: Sie finden beide eine stärkere Wirtschaftskooperation innerhalb der EU und die geplante Agenda 2020 für Europa gut. Doch auch bei diesem Thema werden Differenzen sichtbar: Berlusconis mitgereister Finanzminister Giulio Tremonti warb für gemeinsame EU-Anleihen, die so genannten Eurobonds – das mit 1845 Milliarden Euro verschuldete Italien käme so billiger an frisches Geld. Im Kanzleramt hat das Projekt dagegen milde ausgedrückt „wenig Freunde“, heißt es dort.
Ansonsten war das Treffen – trotz der Artigkeiten für Protokoll und Kameras – eher kühl: entsprechend dem aktuellen Verhältnis zwischen Rom und Berlin. Der letzte deutsch-italienische Gipfel fiel wegen der isländischen Aschewolke ohnehin aus; nachgeholt wurde er aber auch nicht. Diesmal hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade mal vier Stunden für die Gäste aus Rom (Berlusconi hat fünf Minister sowie zahlreiche Firmenchefs mitgebracht), eingequetscht zwischen Kabinettssitzung und anderen Terminen – an der Untergrenze für internationale Gipfel.
Berlusconi braucht den Gipfel mit Merkel mehr als umgekehrt: Er ist innenpolitisch so angeschlagen wie lange nicht mehr und sucht dringend etwas, was von seinen Problemen ablenkt. Denn es geht längst nicht mehr um Imagedetails und Sex-Affären, sondern handfest um seinen Verbleib an der Macht – und damit auch seine juristische Lebensversicherung.
Zwar demonstriert er ungebrochenes Selbstbewusstsein („Ich bin sicher, dass ich der europaweit von seinen Mitbürgern am meisten geschätzte Regierungschef bin“). Aber eine Regierungskrise vor Weihnachten hat er nur mit Ach und Krach überstanden, indem er sich mühsam die Zustimmung einiger Abgeordneter anderer Fraktionen gesichert hat. Doch noch immer hat er nach dem Ausstieg von Gianfranco Fini keine neuen Verbündeten gefunden – und damit keine Mehrheit mehr.
Dazu kommen seine Auseinandersetzungen mit der Justiz. Mehrere Verfahren (Bestechung, Meineid, illegale Parteienfinanzierung) gegen ihn liegen derzeit auf Eis. Am Dienstag war vor dem Verfassungsgericht die Anhörung, ob das auf ihn zugeschneiderte Immunitätsgesetz (Regierungsmitglieder müssen nicht vor Gericht, damit sie sich ganz auf die Amtsgeschäfte konzentrieren können) gekippt wird oder nicht. Für heute wird das Urteil erwartet.
tan