Berlin: Das Rätsel um den Toten vom LaGeSo

Am Mittwochvormittag verbreitete sich eine Meldung wie ein Lauffeuer: Vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) soll ein Flüchtling nach tagelangem Anstehen verstorben sein. Jetzt gibt es massive Zweifel an dieser Darstellung.
von  az
Beim Berliner LaGeSo herrschen seit Monaten untragbare Zustände.
Beim Berliner LaGeSo herrschen seit Monaten untragbare Zustände. © dpa

Berlin – Die Hilfsorganisation "Moabit hilft" berichtete als erste von dem Fall. Ein Helfer habe den stark fiebernden Syrer demnach am Dienstagabend zu sich nach Hause mitgenommen, so eine Sprecherin des Bündnisses gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Als sich der Zustand des Mannes verschlechtert habe, sollte er kurz nach Mitternacht mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, sei aber bereits auf der Fahrt verstorben.

Quelle für diese Geschichte ist ein Helfer der Organisation "Moabit hilft", der sich laut Angaben der Gruppe bereits seit Monaten für Flüchtlinge vor dem LaGeSo engagiert.

Damit erschöpft sich die Quellenlage dann allerdings auch. Der Helfer, der den Bericht über den Vorfall inzwischen aus ungeklärten Gründen wieder aus seiner Facebook-Timeline gelöscht hat, ist seitdem nicht mehr erreichbar. Und eine Bestätigung durch unabhängige Dritte war bislang trotz vielfacher Versuche nicht zu bekommen.

 

Polizei und Feuerwehr kennen keinen entsprechenden Einsatz

 

Weder die Berliner Polizei, noch die Feuerwehr haben einen entsprechenden Einsatz beziehungsweise Krankentransport in ihren Dienstprotokollen verzeichnet. Dabei würden genau diese beiden Stellen im Falle eines Notrufs über die 110 oder 112 eingeschaltet werden. Dass stattdessen ein privater Krankentransport-Dienstleister engagiert wurde, ist unwahrscheinlich, da diese Unternehmen in der Regel keine Notfalleinsätze fahren.

Allerdings ist es beim derzeitigen Flüchtlings-Chaos auch durchaus denkbar, dass es zu Missverständnissen kam. Also beispielsweise, dass die Hilfsorganisation von einem Syrer redet, der Mann aber in Wirklichkeit eine andere Nationalität hatte oder bei der Einlieferung ins Krankhaus keine Papiere bei sich trug.

Dagegen spricht jedoch, dass die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Berlin inzwischen alle 39 Einlieferungskliniken, also Notaufnahmen, der Stadt kontaktiert hat und kein einziges dieser Krankenhäuser einen schwerkranken oder unterwegs verstorbenen Mann in der Nacht auf Mittwoch aufgenommen hat.

 

Senatskreise: "Es gibt keinen toten syrischen Flüchtling."

 

"Niemand kennt diesen Fall. Auch Feuerwehr und Polizei können nichts zu einem solchen oder ähnlichen Fall sagen", erklärte Regina Kneiding, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, dem Tagesspiegel. Die Berliner Tageszeitung zitiert zudem eine ungenannte Quelle aus Berliner Senatskreisen: "Es gibt keinen toten syrischen Flüchtling."

 

Einzige Quelle hat sich zu Hause verbarrikadiert

 

Am Mittwochnachmittag gab es am LaGeSo dann eine Pressekonferenz mit Sprecherinnen von "Moabit hilft". Auch dabei konnte das Rätsel um den verstorbenen Flüchtling allerdings nicht aufgeklärt werden.

Laut Aussage der Sprecherinnen habe sich ihr Informant, der mit dem Flüchtling im Rettungswagen gewesen sein soll, derzeit in seiner Wohnung verbarrikadiert und wolle mit niemandem reden. Dennoch könne man sich bei "Moabit hilft" nicht vorstellen, dass die Geschichte erfunden sei.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.