Benedikt ganz cool
AZ-Redakteur Michael Heinrich über
Manchmal kann man über den Papst nur staunen. Während sich populistisch religiöse Eiferer wie Bayerns Innenminister Herrmann, CSU-Generalsekretär Dobrindt, Ministerpräsident Seehofer oder Bundesinnenminister Friedrich über die Demonstrationen gegen den christlichen Staatsgast echauffieren, hat Benedikt XVI. ganz cool reagiert. Er habe Verständnis für die Proteste, sie seien normal in einem säkularisierten demokratischen Land. Wie wahr.
Der Pontifex weiß, dass ihm auch in seinem Heimatland nicht alle Menschen zu Füßen liegen, nicht einmal alle Katholiken. Zu viel lädt diese Kirche ihren Gläubigen auf – die rigide Sexualmoral, den Zölibat, den dadurch verursachten Priestermangel, die Ablehnung der Ökumene – als dass nicht ein Riss durch die Gemeinschaft gehen müsste.
Der kann nur gekittet werden, wenn der Vatikan und die vielen Bischöfe, die ihm blindlings folgen, sich endlich öffnen. In den 2000 Jahren hat sich die Kirche immer wieder dem gesellschaftlichen Wandel angepasst – sonst gäbe es sie längst nicht mehr.
Warum sträuben sich die Ratzingers, Meissners und Müllers – um nur einige Hardliner zu nennen – so gegen Veränderungen? Nur wenn diese erfolgen, kann sich der Papst, kann sich die katholische Kirche als moralische und ethische Instanz erhalten, die sie nicht nur in Sachen Demonstrationsfreiheit sind. Oder sind ihnen ihre Machtpositionen, ihre Pfründe, die Insignien ihrer Ämter doch wichtiger?