Benachteiligung Homosexueller bei Erbschaftssteuer verfassungswidrig

Das Verfassungsgericht in Karlsruhe urteilt: Schwule und Lesben dürfen nach dem Tod ihres Partners nicht mehr steuerlich benachteiligt werden. Kippt jetzt auch das Ehegatten-Splitting?
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Schwule und Lesben dürfen nach dem Urteil aus Karlsruhe nach dem Tod des Partners nicht mehr steuerlich benachteiligt werden
dpa Schwule und Lesben dürfen nach dem Urteil aus Karlsruhe nach dem Tod des Partners nicht mehr steuerlich benachteiligt werden

KARLSRUHE - Das Verfassungsgericht in Karlsruhe urteilt: Schwule und Lesben dürfen nach dem Tod ihres Partners nicht mehr steuerlich benachteiligt werden. Kippt jetzt auch das Ehegatten-Splitting?

Wichtiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Schwule und lesbische Lebensgemeinschaften dürfen bei der Erbschaftsteuer nicht länger benachteiligt werden. Kippt jetzt auch das Ehegattensplitting? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet das Urteil genau? Stirbt ein verheirateter Mann oder eine verheiratete Frau, konnten Witwer oder Witwe bei der Erbschaftsteuer zunächst einen Freibetrag in Höhe von 307000 Euro geltend machen. Für den homosexuellen Lebenspartner blieben nur 5200 Euro steuerfrei. Ehepartner haben außerdem einen Versorgungsfreibetrag von 256000 Euro. Lebenspartner hatten den gar nicht. Und während Ehepartner beim Erben in die günstigste Steuerklasse I eingeordnet wurden, galt der Lebenspartner als „übriger Erwerber“ und bekam Steuerklasse III. Alles das ist verfassungswidrig, sagten die Karlsruher Richter.

Wie begründen die Richter ihr Urteil? Bisher wurde die steuerliche Ungleichheit von Lebenspartnern mit dem staatlichen Schutz von Ehe und Familie gerechtfertigt. Das reicht aber nicht, sagten die Richter: Auch eingetragene Lebenspartner „leben in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft“. Zwar geht es gerade beim Erben darum, dass Familienvermögen an die Nachkommen weitergegeben werden kann. Aber, so die Richter: Bei kinderlosen Ehepaaren gelten ja auch die gleichen Erb-Regeln wie bei Paaren mit Kindern. Deshalb dürfen auch homosexuelle Paare nicht benachteiligt werden.

Was sind die Folgen? Zum einen muss die Bundesregierung jetzt bis Dezember 2010 eine Regelung für die Altfälle finden. Das sind all diejenigen, deren Partner zwischen 2001 und 2008 gestorben sind und etwas vererbt haben. Im Jahr 2001 wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt, im Jahr 2008 gab es die Erbschaftssteuerreform. Darin wurde der Freibetrag auf 500000 Euro erhöht und auch für Homosexuelle eingeführt, sie sind aber weiter in der schlechteren Steuerklasse.

Fällt jetzt auch das Ehegattensplitting? Gut möglich. In Karlsruhe liegen zurzeit drei Verfassungsbeschwerden homosexueller Paare. Mit einem Urteil ist in diesem Jahr noch nicht zu rechnen, aber das gestrige Urteil zeigt schon mal, wo die Reise hingehen könnte.

Beim Ehegattensplitting werden die Einkommen beider Eheleute zusammengelegt. Wenn der eine Partner deutlich weniger verdient, spart das Paar insgesamt Steuern. Das Ehegattensplitting wurde einmal eingeführt, um es Frauen zu ermöglichen, bei den Kindern zu bleiben. Nur gibt’s das kaum noch. Und: Immer mehr Paare sind kinderlos, für sie gilt das Splitting – für Homosexuelle nicht. „Es gibt keine verfassungsrechtliche Legitimation für die Diskriminierung Homosexueller im Steuerrecht“, sagt der FDP-Abgeordnete und Berichterstatter für Lesben- und Schwulenpolitik, Michael Kauch.

„Die Ehe muss aufgemacht werden“, sagt der Münchner Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl. „Der Wandel ist in der Gesellschaft angekommen. Man hört überall den Begriff Homo-Ehe. Die Menschen sind immer ganz verwundert, wenn ich ihnen erzähle, welche Unterschiede es noch gibt.“

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis sieht das anders: „Das wäre eine weitere Schwächung von Ehe und Familie.“ Bei der Einführung der Homo-Ehe 2001 habe das BVG noch geurteilt, dass der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft gleichstellen könne, aber nicht müsse, so Geis. „Er ist dazu nicht gezwungen. Diese Freiheit hat der Gesetzgeber. Meiner Meinung nach mischt sich das Verfassungsgericht hier zu sehr ein.“ A. Zoch

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