Belauscht, betrogen
Es gab eine Zeit, da wollten sich die Deutschen nicht mal zählen lassen, so sehr hatten sie Angst vor Datenmissbrauch. Lang, lang ist’s her. Jetzt schickt eine wachsende Mehrheit bereitwillig Kontonummern, Geburtsdaten und Passwörter um die Welt und wundert sich. Die Daten sind begehrt und gesucht, sie werden gespeichert und sie werden auch missbraucht.
Die Welt hat sich verändert seit den achtziger Jahren, und dennoch erschüttert nicht nur das Ausmaß, in dem der US-Geheimdienst Gespräche und Mails bei Verbündeten abzapft. Es ist das Gefühl des Betrogenseins, des Vertrauensmissbrauchs, das empört.
Wir sind doch Freunde, rufen jetzt Politiker. Das gehört sich nicht, sagt der Regierungssprecher. Das klingt richtig, ist aber ein bisschen unaufrichtig und gespielt naiv.
Merkel-Sprecher Seibert weiß ganz genau, dass Spionage-Tätigkeit nicht mit dem Kalten Krieg aufgehört hat, und auch Jürgen Trittin ist sehr wohl bekannt, dass Industriespionage keine Erfindung und kein Privileg der Chinesen ist.
Das Misstrauen ist eine Geschäftsgrundlage von Geheimdiensten. Ihnen sind Freundschaftsbekundungen wurscht und sie arbeiten am liebsten im rechtsfreien Raum. Man darf gespannt sein, wie Obamas Regierung die Lauschsucht der NSA erklären kann – oder ob nicht doch wieder ein Fall eines Geheimdienstes vorliegt, der außer Kontrolle geraten ist.