Beispiellose Hilfsaktion gegen Athens Staatspleite
Brüssel - Beispielloser Kraftakt für Griechenland: Zum zweiten Mal bewahrt die Euro-Gemeinschaft Athen vor der Staatspleite - jedenfalls vorerst. 130 Milliarden Euro umfasst das Hilfspaket, dazu kommt ein Schuldenverzicht privater Gläubiger von 107 Milliarden Euro.
Das beschlossen die Euro-Finanzminister nach einem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon in Brüssel. Auch die nationalen Notenbanken werden stärker miteinbezogen. Doch es bleiben Risiken und Zweifel, ob Griechenland damit dauerhaft gerettet ist.
Mit der Einigung wollen erstmals auch Banken, Versicherungen und Fonds Athen einen Teil ihrer Forderungen erlassen. Sie sollen unmittelbar auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Das bedeutet für Athen laut internationalem Bankenverband IIF eine Entlastung um 107 Milliarden Euro. Der IIF sprach von der "bisher größten Umstrukturierung von Staatsschulden" aller Zeiten. Der griechische Ministerpräsident Lucas Papademos, der selbst an den Verhandlungen in Brüssel teilnahm, bezeichnete die Einigung als ein "historisches Ereignis".
Auch die öffentlichen Geldgeber legten noch drauf: Für die bilateralen Kredite des ersten Hilfspakets in Höhe von 110 Milliarden Euro, die im Mai 2010 Griechenland gewährt worden waren, halbieren sie die vereinbarten Zinsen. Denn der Finanzdruck in Athen ist immens: Am 20. März muss Griechenland 14,5 Milliarden Euro Schulden tilgen - die das Land aber nicht hat.
Als Geldgeber soll sich auch wieder der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligen. Am ersten Paket hatte sich der IWF zu einem Drittel beteiligt. IWF-Chefin Christine Lagarde machte einen bedeutsamen Beitrag des IWF von einer Aufstockung des neuen Euro-Krisenfonds ESM abhängig.
Griechenland muss im Gegenzug für das Gesamtpaket mehr Kontrollen akzeptieren und eine Teil seiner Budgethoheit abgeben. Auch das von Deutschland geforderte Sperrkonto gehört dazu. Zudem muss Griechenland Reformen vorantreiben und für mehr Wachstum sorgen. "Das ist kein Selbstläufer, die Vorbedingungen müssen erfüllt werden", mahnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Einhaltung der Auflagen soll künftig laufend von der Troika aus Experten von EU-Kommission, IWF und EZB überwacht werden.
Athen will seinen Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung senken - erlaubt sind aber eigentlich nur maximal 60 Prozent. Die beschlossenen Maßnahmen würden sicherstellen, dass Griechenlands Schulden dann 120,5 Prozent erreichten, heißt es in der Erklärung. Derzeit liegt der Schuldenstand bei fast 170 Prozent.
EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer "beispiellosen Solidarität der Euro-Partnerstaaten Griechenlands". So beschlossen die Minister Kredithilfen von 100 Milliarden Euro für Griechenland. Das Geld ist vor allem zur Schuldentilgung gedacht. Hinzu kommen 30 Milliarden Euro als Anreiz für die privaten Gläubiger, ihre alten Anleihen gegen neue mit langer Laufzeit umzutauschen. Zusammen macht das 130 Milliarden Euro.
Ob auch wirklich genügend Banken bei dem Schuldenschnitt mitmachen, um die Summe zu erreichen, werden jedoch erst die kommenden Wochen zeigen. "Wir erwarten eine sehr hohe Beteiligungsrate", sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.
Wegen der wirtschaftlichen Rezession ist die Lage Griechenlands schlimmer als zunächst bekannt. Das Volumen des Hilfspakets reichte daher nicht aus und musste nachgebessert werden. Volkswirte zeigten sich am Dienstag skeptisch, ob die Rettung dauerhaft ist.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erklärte, ohne tiefgreifende Reformen werde Athen seine Schulden nicht tragen können. "In der zweiten Jahreshälfte ist die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht."
Auch die private Berenberg Bank sieht die Gefahr einer Staatspleite nicht gebannt. "Unserer Meinung nach bleibt die Gefahr hoch, dass sich Griechenland in die wirtschaftliche Depression spart, in die Insolvenz schlittert und aus der gemeinsamen Währung austreten muss", schreibt Volkswirt Christian Schulz in einer Analyse.
Die nationalen Parlamente in den Euro-Staaten müssen dem Paket noch zustimmen. Schäuble zeigte sich am Dienstag im Deutschlandfunk zuversichtlich, dass die Mehrheit der schwarz-gelben Koalition für das neue Griechenlandpaket bei der Abstimmung im Bundestag am 27. Februar zustandekommen wird.
Der Handel an der Frankfurter Börse war am Dienstag von Gewinnmitnahmen geprägt. Der Dax verlor im frühen Handel 0,58 Prozent auf 6908 Punkte, nachdem er tags zuvor seine Aufwärtsbewegung fortgesetzt und auf dem höchsten Stand seit dem 1. August 2011 geschlossen hatte. Der Euro reagierte zunächst positiv auf die abgewendete Pleite Griechenlands und stieg in Richtung 1,33 US-Dollar, bevor die Gewinne wieder abschmolzen.