Bei der Bundeswehr: Beleidigung, Ekelrituale, Führungschwäche

BERLIN - Der Wehrbeauftragte Königshaus sammelte 5000 Beschwerden von Soldaten. Nicht nur auf der Gorch Fock und bei der Feldpost sind „einige Dinge nicht in Ordnung“, sagt er.
Der Wehrbeauftragte entschuldigte sich fast: „Ich kann ja nicht warten bis nächste Woche, damit nicht zu viel auf einmal kommt“, sagte Hellmut Königshaus bei der Vorstellung des aktuellen Wehrberichts. Zu viel auf einmal vor allem für Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU), meinte der FDP-Politiker: „Führungsschwäche, mangelndes Unrechtsbewusstsein, Ekelrituale“ bemängelt der Bericht. Der Minister kommt immer stärker unter Druck.
Gerade diskutiert die Öffentlichkeit die Affäre um Schinderei und Belästigung auf der Gorch Fock. Doch dazu äußerte sich der Wehrbeauftragte nur kurz. „Eine Gleichstellungsbeauftragte“ solle auf dem Schiff künftig mitfahren, das durch den Tod zweier Kadettinnen derzeit in Verruf ist.
Doch Königshaus, Offizier der Reserve, hat noch ganz anderes zu bemängeln. Mehr als 5000 Eingaben kamen vergangenes Jahr auf seinen Tisch, etwas weniger als im Jahr zuvor. Beleidigungen und Alkoholismus, Führungsschwäche und schlechte Ausbildung sind Schwerpunkte: „Vor allem jungen Mannschaftsdienstgraden und unerfahrenen Vorgesetzten fehlt es an Wissen und Gespür, wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden“, sagt Königshaus. Will heißen: Untergebene riskieren unwürdige Behandlungen oder Schlimmeres: „Oft gehen beleidigende Äußerungen mit anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen einher“, heißt es in dem Bericht. Als beispielhaft nannte Königshaus den Fall von Mittenwald, der vergangenes Frühjahr für Aufsehen erregt hat (siehe unten). Dort bei den Gebirgsjägern hat auch Verteidigungsminister zu Guttenberg einst gedient.
In den Beschwerden, so Königshaus, stecke „keine Systematik“. Das betreffe auch die jüngsten Vorkommnisse von den geöffneten Feldpostbriefen aus Afghanistan bis zur Gorch Fock.
Erklärungen aus Guttenbergs Ministerium, wonach ein Fehler in einer Sortiermaschine für die Öffnung der Feldpostbriefe verantwortlich sein könnte, ließ Königshaus nicht gelten. „Ich möchte schon wissen, auf welcher Rechtsgrundlage das geschehen ist.“ Hier liege möglicherweise ein Verstoß gegen Paragraf 202 Strafgesetzbuch vor, der das Postgeheimnis schützt.
Auf der Gorch Fock seien „einige Dinge passiert, die nicht in Ordnung“ seien, sagte der Wehrbeauftragte. Ein betrunkener Offizier ist nach Medienberichten in den Schlafraum der Kadetten gekommen und hat gelallt: „Ich hasse alle Offiziersanwärter. Ich werde sie töten.“ Ohnehin gebe es Alkoholprobleme auf dem Schiff. Königshaus wies den Vorwurf zurück, die jüngsten Vorwürfe sollten am Image des Verteidigungsministers kratzen: „Das ist absurd.“ Er sei „nun mal für die Grundrechte der Soldaten zuständig“.
Für Minister zu Guttenberg gibt es auch noch Ärger von anderer Seite. Bei der Reform der Bundeswehr stellte sich die CDU eindeutig hinter Finanzminister Schäuble und gegen Guttenberg. Dessen Bundeswehrreform verfehlt wohl das Ziel, bis zum Jahr 2014 acht Milliarden einzusparen.
Die Straffung der Führungsebene und die Verschlankung des Ministeriums, so wie sie Guttenberg vorschwebt, bringt offenbar nicht den nötigen Spareffekt. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier verteidigte den Sparkurs, der gelte auch für den Verteidigungsminister: „Das muss man gemeinsam durchsetzen.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verteidigte Guttenberg, warnte vor einem „Sparkurs nach Kassenlage“.
mm