»Beck ist orientierungslos«

BERLIN - Die schlechten Umfragen für SPD-Chef Kurt Beck nehmen kein Ende: Laut Infratest Dimap sind jetzt nur noch 17 Prozent der Deutschen für Beck als Kanzlerkandidat. Über die Gründe sprach die AZ mit Forsa-Chef Manfred Güllner.
AZ: Herr Güllner, SPD-Chef Beck hat schwierige Wochen der Passion hinter sich – können Sie ihm Hoffnung machen auf ein Wiederauferstehungs-Erlebnis?
MANFRED GÜLLNER: Wunder sind ja immer möglich, aber im Falle Beck schätze ich die Aussichten auf eine Wiederauferstehung aus dem Elend als sehr gering ein. Die Menschen glauben nicht mehr, dass er der richtige Mann ist. Stellen Sie sich vor, von fünf SPD-Wählern sagen vier, den will ich nicht als Kanzler, das ist ein Umfragewert, den ich überhaupt noch nicht erlebt habe.
Kann Beck daran aus eigener Kraft noch etwas ändern?
Dazu müsste er die dramatische Lage überhaupt erst einmal richtig einschätzen, aber es scheint ihm an der Einsichtsfähigkeit zu mangeln. Seit er die SPD übernommen hat, ist ihr ein Drittel des Wählerpotentials weggebrochen. Er hat die Mitte der Gesellschaft aufgegeben, ohne im linken Spektrum etwas hinzuzugewinnen. Wahlen gewinnt man aber nun einmal in der Mitte. Doch Beck torkelt orientierungslos und ohne Kompass durch die Landschaft.
Wie konnte es soweit kommen?
Anfangs haben die Menschen ihn ja durchaus gemocht. Dann kamen das tolpatschige Auftreten, das Nichtwahrhabenwollen von Wahlniederlagen, das Wegdrängen von profilierten SPD-Führungskräften wie Müntefering. Dadurch hat Beck der Partei ganz schwer geschadet. Jetzt ist alles so gekommen, wie es kommen musste: Je besser die Menschen Beck kennengelernt haben, desto weniger mochten sie ihn.
Manches erinnert an Helmut Kohl: ein Pfälzer, der vieles aussaß...
...und schwierige Phasen dann doch überstand. Weil Kohl einsichtsfähig war und nach seinen Einsichten gehandelt hat. Nichts davon sehe ich bei Beck, der zwar die Tolpatschigkeit des frühen Kohl hat, aber zugleich die Uneinsichtigkeit des späten Scharping. Ich bin seit 50 Jahren SPD-Mitglied, aber Becks jüngste Auftritte waren einfach nur peinlich.
Wollen Sie austreten?
Dafür bin ich zu alt. Und die SPD bleibt ja trotz Beck eine große, traditionsreiche Partei.
Wie wird es weitergehen in der SPD?
Ich weiß es nicht. Auf Wunder zu hoffen, bringt jedenfalls nichts. Wenn Beck noch die Kraft hat, sich wenigstens auf den Parteivorsitz zu beschränken und dann die Kanzlerkandidatur auf Außenminister Frank-Walter Steinmeier zuliefe, dann ließe sich die absehbare Katastrophe vielleicht noch minimieren. Aber da bin ich sehr skeptisch.
Interview: Frank Müller