Interview

Bayern stemmt sich gegen Lauterbachs Krankenhauspläne: "Freistaat geht da mutig voran"

Die Krankenhausreform wird kommen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fürchtet Insolvenzen und fordert neue Ansätze – etwa bei der Steuer.
von  Stefan Lange
Pflegepersonal schiebt einen Patienten ins Krankenzimmer.
Pflegepersonal schiebt einen Patienten ins Krankenzimmer. © Foto: imago

München - Karl Lauterbach (SPD) hat sich mit den Ländern auf die Eckpunkte zur geplanten Krankenhausreform geeinigt. Damit sollen die Krankenhäuser vom Kostendruck und aus dem "Hamsterrad" befreit werden, wie der Bundesgesundheitsminister erklärte.

In der bayerischen Staatsregierung blickt man derweil kritisch auf Lauterbachs Pläne. Gesundheitsminister Klaus Holetschek mahnt, dass es noch viele Probleme zu lösen gilt. Im AZ-Interview erklärt der CSU-Politiker, was ihn an der Reform im Detail stört.

Krankenhausreform von Karl Lauterbach: Holetschek sieht kalten Strukturwandel

AZ: Herr Holetschek, droht durch die Krankenhausreform jetzt der große Kahlschlag in der Kliniklandschaft?
KLAUS HOLETSCHEK: Die Sorge ist auf jeden Fall da, und deswegen habe ich gegen die Krankenhausreform in dieser Fassung gestimmt. Wir brauchen den Paradigmenwechsel, keine Frage. Aber wenn wir die Reform durchziehen, ohne die Häuser zu stabilisieren, werden wir das erleben, was ich einen kalten Strukturwandel nenne: Insolvenzen und andere Dinge, die dazu führen, dass die Versorgung der Menschen nicht mehr gut funktioniert. Und das gerade in den ländlichen Räumen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). © Sven Hoppe/dpa

Gesundheitsminister Klaus Holetschek: "Es braucht eine Stabilisierung der Krankenhäuser"

Bayern hat als einziges Bundesland gegen die Eckpunkte gestimmt. Hätten Sie sich auch so verhalten, wenn im Oktober keine Landtagswahl anstünde?
Wir haben uns sehr konstruktiv in die Beratungen eingebracht. Diese Eckpunkte atmen auch den Geist des Freistaats Bayern, weil wir die ursprünglichen Vorschläge des Bundes in Zusammenarbeit mit anderen Ländern überhaupt erst praxistauglich gemacht haben. Aber man muss realistisch sein, wie es weitergeht. Und bevor die Reform greift, ich sagte es gerade, brauchen wir eine Stabilisierung der Häuser. Also: Mein Votum wäre ohne Landtagswahl genauso ausgefallen.

Eine Stabilisierung der Häuser bedeutet am Ende Geld. Das aber haben gerade weder der Bund noch die Länder.
Der Freistaat geht da schon mutig voran. Wir bewegen uns gerade auf die Krankenhaus-Milliarde zu. Die bisherigen Investitionen liegen bei 643 Millionen – und das wollen wir gemeinsam mit den Kommunen, mit den Landkreisen auf eine Milliarde Euro ausbauen. Dazu kommen ein Härtefallfonds mit 100 Millionen Euro sowie 20 Millionen Euro als Anreiz für den Strukturwandel.

Krankenhausreform: "Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen besser werden"

Lauterbach sagt, der Bund habe kein Geld für Stabilisierungsmaßnahmen.
Das ist eine Frage der Prioritätensetzung. Wenn ich beispielsweise bei der Drogenprävention die Mittel von 13 auf neun Millionen Euro kürze, parallel aber Cannabis legalisiere, dann kann man schon fragen, welchen Sinn das macht. Die Versorgung in den Krankenhäusern berührt alle Menschen und da erwarte ich, dass man den Haushalt des Bundes an dieser Stelle nicht über Gebühr kürzt.

Was stört Sie noch an den Reform-Eckpunkten?
Wir müssen aufpassen, dass wir genügend Pflegekräfte haben. Wir reden jetzt davon, dass neben dem Geld auch das Personal umverteilt wird. Das hört sich einfach an, ich halte das aber für realitätsfern. In der Stadt könnte es teilweise funktionieren, auf dem Land ganz sicher nicht. Wir müssen stattdessen die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern – ich bin beispielsweise stark dafür, Gehaltsbestandteile von der Steuer freizustellen. Wir brauchen zudem ganz andere Ansätze, etwa, indem wir dem Personal bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Darüber haben wir ehrlicherweise noch so gut wie gar nicht gesprochen.

Holetschek: "Die Menschen sind sehr besorgt und müssen teils lange auf Arzttermine warten"

Länder wie Baden-Württemberg sagen von sich, sie hätten ihre Hausaufgaben schon gemacht und längst eine Krankenhausreform vollzogen. Bayern hingegen habe die Entwicklung verschlafen. Trifft Sie dieser Vorwurf?
Nein. Wir haben auch in Bayern reagiert, neue Strukturen entwickelt, Verbünde und Kooperationen aufgebaut und einiges mehr. Wir können so eine Reform aber nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger machen. Wir hatten etwa den Fall, dass ein Träger zwei Standorte zu einer Einheit zusammenführen wollte. Da gab es ein Bürgerbegehren und am Ende war die Sache vom Tisch. Uns ist die Frage sehr wichtig, wie wir die Menschen an diesen zentralen, aber auch sehr komplexen Fragen beteiligen.

Der Bundesgesundheitsminister hat eingeräumt, dass es Insolvenzen von Krankenhäusern geben wird, bis die Reform wirkt. Erwarten Sie einen Aufschrei in der Bevölkerung oder glauben Sie, dass die Menschen diese Entwicklung widerspruchslos mittragen?
Aus Zuschriften und Gesprächen weiß ich, dass die Menschen sehr besorgt sind. Es geht ja nicht nur um das Krankenhaus an sich. Da ist beispielsweise die Frage, ob wir genug Ärztinnen und Ärzte im ländlichen Raum haben. Die Menschen bekommen teilweise keinen Termin mehr oder müssen sehr lange darauf warten. Die Notfallstationen laufen über. Das sind Probleme, die wir lösen müssen. Ich erinnere auch daran, dass wir in der Corona-Pandemie sehr froh darüber waren, viele Krankenhäuser zu haben. Wir können den Menschen die Krankenhausreform also nicht einfach so überstülpen. Mein Vorschlag ist, dass wir uns die nötige Zeit geben und einen strukturierten Prozess aufsetzen, der die Menschen mitnimmt.

Apropos Zeit: Das entsprechende Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten. Die Krankenhausreform kommt also ziemlich schnell.
Nein. Denn wenn das Bundesgesetz in Kraft tritt, müssen wir in den Ländern zunächst unsere eigenen Gesetze daran anpassen. Die Reform wird meiner Einschätzung nach frühestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten greifen.

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