Al-Wazir greift an, Aiwanger kontert: "Bayern haben nicht verstanden, dass Strom nicht aus der Steckdose kommt"

Am Mittwochabend sprach Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei Maischberger über Wirtschaft, den Atomausstieg und die Angriffe auf deutsche Politiker. Sein Diskussionspartner Tarek Al-Wazir trat überheblich auf. Am Schluss holte Maischbeger ein altes Zitat heraus. Weiter Gäste waren Gerhart Baum (FDP), Yasmine M'Barek (Zeit Online), Dagmar Rosenfeld (Welt am Sonntag) und Béla Réthy (Sportjournalist früher ZDF).
von  Viktoria Hausmann
Schenkten sich gegenseitig nichts: Tarek Al-Wazir (Grüne) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler)
Schenkten sich gegenseitig nichts: Tarek Al-Wazir (Grüne) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) © ARD

Köln - Wirtschaft, Außenpolitik, Atomkraft und natürlich die zunehmende Gewalt gegen Politiker waren am Mittwochabend die Themen beim ARD-Talk mit Sandra Maischberger. Mit dabei der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der frühere hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und die Journalisten: Béla Réthy (Sportjournalist), Yasmine M'Barek (Zeit Online) und Dagmar Rosenfeld (Welt am Sonntag).

"Gibt schlimmere Grüne!" "Andere Freie Wähler gibt's gar nicht" Aiwanger und Al-Wazir schenken sich nichts

Es folgt das Streitgespräch um den Atomausstieg zwischen Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/ die Grünen). Zwei Wirtschaftsminister, der eine in Bayern trotz "Flugblatt-Affäre" als stellvertretender Ministerpräsident bestätigt, der andere in Hessen als Ministerpräsidenten-Kandidat kläglich gescheitert. Und natürlich zwei politisch stark unterschiedliche Einstellungen. Die Begrüßung zwischen Aiwanger und Al-Wazir fällt entsprechend kühl aus: "Es gibt schlimmere Grüne als Herrn Al-Wazir. Mit dem konnte man immer ganz gut reden", sagt Hubert Aiwanger. "Andere Freie Wähler gibt's gar nicht, deswegen kann ich da keinen Vergleich ziehen", revanchiert sich Tarek Al-Wazir. 

"Bin kein Atom-Fetischist": Aiwanger reagiert auf altes Video

Maischberger konfrontiert Aiwanger mit einem alten Video, in dem der heutige Freie Wähler-Chef Tschernobyl als "Vertrauens erschütternd in die da Oben" nennt. Das sei laut Sandra Maischberger der Grund, warum der Niederbayer in die Politik ging: "Also waren sie mal ein Atomkraftgegner, Herr Aiwanger", fasst die Moderatorin zusammen. Hubert Aiwanger bleibt ruhig: "Auf alle Fälle waren Tschernobyl und Fukushima ein Deutschland traumatisierendes Ereignis. Das kann man so sagen." Er habe damals das Vertrauen in die Regierung "schon etwas verloren", weil es zur Verwendung von Lebensmitteln widersprüchliche Anweisungen gab. "Ich bin jetzt kein Atom-Fetischist, aber auch bin Pragmatiker und ich bin pragmatisch genug in der Situation, in der wir eben waren, Ukrainekrieg, zu sagen, just in diesem Augenblick darf man eben die noch verfügbaren Kernkraftwerke nicht abschalten.“

"Risiko nicht kleiner geworden, weil wir abgeschaltet haben!": Aiwanger hält Ausstieg für falsch

Al-Wazir holt aus: "Die Versorgungssicherheit ist wieder da. Wir haben 10 Prozent CO2 eingespart. Wir haben so wenig Braunkohleverstromung wie seit den 1960 Jahren nichts und wir haben gleichzeitig die glückliche Situation, dass die Energiepreise wieder deutlich günstiger werden," beginnt der Grünen-Politiker und legt gleich nach: "Also wenn man sich einfach mal die Fakten anschaut und sich gleichzeitig anschaut, wie teuer neue Atomkraftwerke wären, dann muss man einfach sagen, das Pferd ist tot! Steigt ab!" Sandra Maischberger haut Hubert Aiwanger sofort noch ein weiteres altes Zitat um die Ohren und nimmt dem Politiker damit die Möglichkeit zu Antworten. 2011 nach Fukushima, hatte der Freien Wähler gesagt: "Ein "Restrisiko" ist nie auszuschließen, deshalb dürfe die Regierung nicht an der Atomkraft festhalten." Aiwanger bleibt bei seiner Aussage, dass neue Brennstäbe sinnvoll gewesen wären und spricht die "deutlich teureren Energiepreise" an. "Der billige Atomstrom mit zwei bis drei Cent" hätte die Lücke in der Gasversorgung schließen können. Das Restrisiko wäre "nicht größer geworden, wenn wir nochmal verlängert hätten. Es ist nicht kleiner geworden, weil abgeschaltet haben". Al-Wazir schüttelt nur den Kopf, schneidet Grimassen in die Kamera.  

"Könnte besser sein, wenn Bayern nicht blockieren würde": Al-Wazir basht Bayern und Söder 

"Haben Sie sehenden Auges des Wirtschaft geschadet?", fragt Maischberger Al-Wazir. Der Grüne bliebt aber dabei, dass der Strom billiger geworden sei. "Letztes Jahr 1,8 Prozent Atomstrom und 56 Prozent erneuerbare Energien und es könnte noch besser sein, wenn Bayern nicht seit zehn Jahren die Windkraft blockieren würde," antwortet der Grünen-Politiker säuerlich und schaltet in den Bayern-Bashing-Modus, als Aiwanger leise verneint: "Ich weiß, dass Bayern öfter ihre Positionen ändern. Söder hat ja mit Rücktritt gedroht, sollte nicht sofort abgeschaltet werden, dann hat er gesagt, es solle alles länger laufen. Übrigens, der Herr Glauber, das ist ja ihr Umweltminister, hat vor sechs Wochen die Abrissgenehmigung von Isar 1 unterschieben", sagt er angriffslustig. "Weil er's muss", zischt Aiwanger zurück. "Lassen Sie uns bitte ein Energiesystem der Zukunft bauen, was günstig, sicher und bezahlbar ist", sagt Al-Wazir. Das Publikum klatsch verhalten.

Hatte Spaß am Bayern Bashing: Tarek Al-Wazir (Grüne)
Hatte Spaß am Bayern Bashing: Tarek Al-Wazir (Grüne) © ARD

"Wir wollen die weiße Weste und die anderen sollen sich die Finger schmutzig machen": Aiwanger über Atomstrom Zulieferungen

Das lässt sich der Freien Wähler-Chef  nicht gefallen: "Das ist alles Atomstrom aus Frankreich und Tschechien." Tschechien wolle seinen Atomstrom hochfahren und beliefert uns: "Das blenden wir aus. Wir wollen halt die saubere Weste haben und die anderen sollen sich die Finger schmutzig machen", kritisiert er.  Der abgewählte Grünen-Minister schaltet endgültig in den Oberlehrer-Modus: "Wir können da gerne einen Faktencheck machen," sagt er höhnisch. "Ja, bitte", antwortet Aiwanger. Natürlich gäbe es einen europäischen Strommarkt. "Also", setzt der Freien Wähler-Chef nach. Die Importe kämen vor allem aus Dänemark und Norwegen. Das sei Windstrom und Wasserkraft. "Das ist fast ausgeglichen", versichert der Grüne. Aiwanger poltert los: "Fast ausgeglichen! Das heißt ja nicht, dass wir auf Atomstrom verzichten können", antwortet er. 

"Die Bayern haben einfach nicht verstanden, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt":  Al-Wazir greift Bayern an

Als es kurz um Kernfusion, eine Zukunftstechnologie, die Aiwanger nutzen möchte, geht wird der Grüne besonders laut: "Wär mir lieber, die Bayern würden mehr über Stromleitungen nach Bayern nachdenken", sagt er überheblich: "Die Bayern haben einfach nicht verstanden, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt." "Das ist die einzige Freude der Grünen, diesen Witz 140 Mal zu erzählen", erwidert Aiwanger. Doch Al-Wazir lässt sich nicht bremsen. Wegen der fehlenden Trasse würde Deutschland "Strom wegwerfen." Söder habe irgendwann verstanden, dass Strom in Bayern dann ein paar Cent teurer würde, als in Niedersachsen und wäre nun dafür, damit BMW nicht abwandert, polemisiert Al-Wazir.

"Sofern Sie überhaupt eine Industrie haben": Aiwanger lästert über Norddeutschland

"Wenn schon die Windkraft die Rettung des Vaterlands wäre, dann würde ja im Norden die Wirtschaft blühen", schlägt Aiwanger zurück. Gerade im Norden würden Unternehmern abwandern, so Aiwanger. "Sie brauchen doch nicht glauben, dass die süddeutsche Industrie in den Norden gehen würde. Wenn die wegginge, dann gehen die gleich nach Amerika! Und ihre Industrie hinterher. Sofern sie überhaupt eine haben." 

"Verbale Täterschaft": Maischberger bringt umstrittenes Aiwanger-Zitat erneut ins Spiel

Gegen Ende der Diskussion lenkt Sandra Maischberger, das Gespräch in Richtung "Gewalt gegen Politiker". Al-Wazir sieht die Schuld für die Verrohung der Gesellschaft nicht bei der Ampel, sondern bei "Rechtsradikalen und Populisten" und bringt Aiwangers Erdinger Rede ins Spiel: "Die schweigende Mehrheit muss sich die Demokratie zurückholen. Den Herr Aiwanger sollten sie mal zurücknehmen." Aiwanger sieht eher die Spaltung in Links und Rechts und die schwierige wirtschaftliche Lage, als Auslöser: "Wir haben immer mehr Kräfte, die die Gesellschaft auseinandertreiben." Wenn es den Leuten gut gehen würde, würden diese Kräfte an Macht verlieren.

Konterte bei jeder Gelegenheit: Hubert Aiwanger (Freie Wähler)
Konterte bei jeder Gelegenheit: Hubert Aiwanger (Freie Wähler) © ARD

"Kann nichts dafür, wenn die Grünen ausgepfiffen werden": Aiwanger beschwert sich über "Sündenbocksuche"

Erneut mit dem Vorwurf konfrontiert, dass seine Rede Aggressionen in der Gesellschaft ausgelöst habe, spricht Aiwanger von "Sündenbocksuche". Er könne nichts dafür, wenn die Grünen ausgepfiffen werden. "Die Leute schauen doch nicht, was ich über die Grünen sage. Die haben selbst die Nase voll wegen dem Heizungsgesetz, dem Selbstbestimmungsgesetz, der schnelleren Einbürgerung", sagt er energisch. All diese Themen würden am Normalbürger vorbeigehen. Außerdem hätte eine Grüne Generalsekretärin davon gesprochen, die "Demokratie zurückzuerobern". Er nur von "zurückholen". 

"Ein Stinktier kann man nicht überstinken. Ich wünsche mir, dass das auch die Freien Wähler, dass das auch Hubert Aiwanger sieht, wir sind Demokraten und wir müssen ordentlich miteinander umgehen und nicht immer Witze auf Kosten anderer machen", wandelt Al-Wazir ein Söder-Zitat ab. Nach einem kurzen Gekabbel über Bauernproteste, bei dem Al-Wazir Aiwanger erneut belehren will und Aiwanger ihm vorhält, dass seine Partei auch die "Klimakleber" nicht deeskalieren würde, mischt sich Maischberger ein: "Herr Al-Wazir sagt, er wird's nicht mehr tun. Werden Sie es auch nicht mehr tun", fragt sie. "Ich leg hier heute kein Gelübde ab. Es kommt auf die politische Stimmung an", sagt Aiwanger. Wenn man die Grünen Einbremsen müsse, würde er das machen. Genau wie andere Parteien oder Extremisten.  

Am Schluss geht es noch kurz um die Möglichkeit, dass die Freien Wähler im Bundestag sitzen. Eine Koalition mit den Grünen kann sich Aiwanger eher nicht vorstellen. Al-Wazir möchte sich ihn nicht als Bundeswirtschaftsminister vorstellen, sieht aber Besserung, wenn er in Zukunft "Für Stromtrassen ist und vernünftige Politik macht." Damit endet ein langer Schlagabtausch. 

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