Bayerische Apothekerkammer zur Medikamenten-Misere: "Das System komplett überdenken"

Bei Fiebersäften für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen, ebenso bei einigen Antibiotika, wie Amoxicillin, herrschen im Moment massive Lieferengpässe. Auch einige Krebsmedikamente für Erwachsene sind schwer zu beschaffen.
"Diese Arzneimittel gibt es derzeit zumeist auch über den Großhandel nicht mehr, was die Apotheken vor große Probleme stellt", erzählt Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer und der Bundesapothekerkammer der AZ. Teils müssten Apotheker aktuell Wochen oder gar Monate warten, bis diese Medikamente wieder lieferbar seien.
Paracetamol und Ibuprofen: Mangelware
Zwar könnten die meisten Patienten mit Alternativen versorgt werden. Doch dies sei mit einem "immensen Mehraufwand" verbunden: Denn zunächst müsse in diesen Fällen Rücksprache mit dem jeweiligen Arzt gehalten werden, welche Arznei als Ersatz überhaupt in Frage kommt. "Dann muss das Rezept meist vom Arzt geändert oder sogar neu ausgestellt werden, um Probleme mit der Krankenkasse zu vermeiden." In bestimmten Fällen sei auch eine Eigenherstellung in den Apotheken vor Ort nötig, um die Versorgung der Bevölkerung, insbesondere aktuell der kleinen Patienten, überhaupt weiter sicherzustellen.
Die geplanten Änderungen bei Preisregeln für Medikamente von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (siehe oben) hält Benkert für "einen ersten Schritt in die richtige Richtung". Doch müsse das komplette System der Rabattverträge neu gedacht werden.
Politik muss handeln: Preisspirale geht aufwärts
Die Politik, wie sie bislang betrieben wurde, sorge dafür, dass Arzneimittelhersteller in einer Preisspirale gefangen seien, sagt der Präsident. "Dabei wird immer billiger, billiger, billiger angestrebt." Die Firmen produzieren im Ausland, weil die Herstellung für sie in Europa nicht finanzierbar sei. In Deutschland würden nur sogenannte Festbeträge vonseiten der Krankenkassen erstattet. "Wenn dann für Präparate wie etwa Fieberzäpfchen in Deutschland fünf Euro, in Österreich oder Italien aber sieben oder acht Euro bezahlt werden, weil dort die Krankenkassen mehr Geld dafür ausgeben, dann geht die Firma natürlich dorthin, wo mehr gezahlt wird", sagt Benkert.
Dass Krankenkassen hierzulande künftig das 1,5-Fache des Festbetrags zahlen sollen, hält er deshalb für richtig. "Der deutsche Arzneimittelmarkt muss für die Hersteller wieder attraktiver werden, um derartige Situationen künftig zu vermeiden." Daher müssten Rabattverträge zu reellen Preisen abgeschlossen werden, um die Wirkstoffherstellung wieder verstärkt zurück nach Europa zu holen, so sein Fazit.