Barbara Stamm: Die Ehe an erster Stelle
Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) erklärt im AZ-Interview, warum sich ihre Partei einer Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften widersetzen wird
MÜNCHEN/BERLIN Die CSU stellt sich quer: Sie will eine Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften auf jeden Fall verhindern. Die AZ sprach mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm über die Gründe ihrer Partei.
AZ: Seit 2011 sind in Bayern gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Beamtenrecht gleichgestellt. Sie bekommen die gleichen Familienzuschläge wie Verheiratete. Warum tut sich die CSU beim Ehegattensplitting so schwer?
BARBARA STAMM: Die Familienzuschläge für Homosexuelle wurden nur auf Grund von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts eingeführt.
Heißt das, die CSU macht nur noch das, was ihr das Gericht vorschreibt?
Vorauseilenden Gehorsam gibt es nicht. Natürlich haben wir enorme Veränderungen in unserer Gesellschaft. Die habe ich nicht nur zu akzeptieren, die habe ich auch zu tolerieren. Diskriminierung darf es nicht geben. Das kann aber nicht bedeuten, dass ich Grundpositionen aufgeben muss. Artikel 6 unseres Grundgesetzes, Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates, steht für mich an erster Stelle.
Was bedeutet Familie für die CSU? Hochzeit, Scheidung, zweite Ehefrau, Geliebte, außereheliches Kind?
Familie bedeutet einen Wert für unsere Gesellschaft. Die Jugend-Shell-Studie beweist uns, dass 80 Prozent der jungen Leute heiraten und Kinder wollen.
Das wollen Homosexuelle auch.
Wenn das höchste Gericht entscheidet, dass das Ehegattensplitting auch für die gleichgeschlechtliche Partnerschaft anzuwenden ist, kann sich der Gesetzgeber dem nicht entziehen.
Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein sagt heute, er sei nach Karlsruhe gegangen. Damals hatte die CSU argumentiert, Homo-Ehe und Adoption widersprechen der „Natürlichkeit“. Heute wisse er: „Die systematische Diskriminierung der Homosexuellen war eine schlimme Verirrung.“ Weiß sein Nachfolger Seehofer das nicht?
Ich habe nie diskriminiert und werde nie diskriminieren.
Was ist dann die Verweigerung des Splittings?
Ich kann wieder nur auf Artikel 6 des Grundgesetzes verweisen: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.
Ihre Tochter Claudia, die bei den Grünen ist, wirft der CSU vor, zu ihrem Markenzeichen gehöre es inzwischen, dass sie nicht mehr zu den Handelnden gehöre, sondern von den Urteilen getrieben sei.
Das ist die Meinung meiner Tochter. Ich habe meine Meinung.
Hinkt die CSU dem Wandel der Zeit hinterher?
Nein.
Immerhin dauerte es bis 2006, bis die CSU in ihrem Wahlprogramm auch die Leistung von Alleinerziehenden anerkannt hat. Davor passten die auch nicht ins Familienbild der CSU.
Ich war immer eine Befürworterin für Alleinerziehende. Meine Partei war auch nicht von Anfang an für Kinderkrippen. Die CSU ist eine Volkspartei mit einer entsprechenden Bandbreite.
Wie lange will die CSU noch am Ehegattensplitting festhalten? Wäre nicht ein Familiensplitting zeitgemäßer?
Da bin ich emotional. Es kann doch nicht sein, dass Familien, die drei Kinder großgezogen haben, mit dem Wegfall der Kinder auf der Steuerkarte als kinderlos gelten und dann die Vorteile des Ehegattensplittings nicht mehr haben. Da versteht uns doch die Welt nicht mehr. Ich will keine Menschen benachteiligen, die Kinder erzogen haben.