Barack Obama: Er hat alle verzaubert

632 Tage hat er gebraucht. Um die Amerikaner für sich zu begeistern. Um Hillary Clinton zu besiegen und zuletzt John McCain. Was Bürgerrechtler nie zu träumen gewagt haben, wird jetzt Wirklichkeit: Ein Schwarzer regiert künftig das mächtigste Land der Erde.
von  Abendzeitung
Barack Obama - eine Lichtgestalt für Amerika?
Barack Obama - eine Lichtgestalt für Amerika? © AP

WASHINGTON - 632 Tage hat er gebraucht. Um die Amerikaner für sich zu begeistern. Um Hillary Clinton zu besiegen und zuletzt John McCain. Was Bürgerrechtler nie zu träumen gewagt haben, wird jetzt Wirklichkeit: Ein Schwarzer regiert künftig das mächtigste Land der Erde.

Wer ist dieser Barack Obama? Warum hat er solch eine Euphorie ausgelöst? Vor vier Jahren kannte ihn niemand. Doch dann hält er auf dem Parteitag der Demokraten eine fulminante Rede. Sein Aufruf an die damals krisengeplagte Partei: Habt Mut zur Hoffnung!

Plötzlich interessieren sich alle dafür, woher dieser Nobody eigentlich kommt. Dass er der Sohn eines Kenianers und einer Amerikanerin ist, auf Hawaii und in Indonesien gelebt hat. Dass er in seiner Jugend Drogen genommen und den Rassenhass kennengelernt hat. Diesem Obama, der auf der Elite-Uni Harvard Politik und Jura studiert hat, trauen viele Amerikaner zu, das von George W. Bush so tief gespaltene Amerika zu versöhnen. Obama kennt Armut: Er hat sie in seiner Kindheit selbst erlebt und später in Chicago als Sozialarbeiter gearbeitet.

Vor 632 Tagen, als der US-Wahlkampf begann, muss Obama gespürt haben, dass er Präsident werden kann. Er sieht gut aus, kann toll und vor allem blumig reden – das mögen die Amerikaner. Sie sehnen sich nach einem neuen John F. Kennedy. Dass ihr neuer Held schwarz ist, scheint im neuen Amerika kein Problem mehr zu sein.

„Yes We Can!“ predigte Obama landauf, landab. Eine irre Kampagne entstand, die Millionen Dollar in seine Wahlkampfkassen spülte. Reiche Weiße, arme Schwarze, Intellektuelle und Bush-Hasser sind seine Wähler. Junge Menschen finden Obama cool. Sie kämpften für ihren Kandidaten, gingen von Haus zu Haus, um weitere Wähler zu mobilisierten, bloggten im Internet für Obama. Wie ein Tsunami fegte der Polit-Popstar zuerst Hillary Clinton aus dem Rennen – und jetzt John McCain.

Doch was jetzt? In all dem Wahlkampfgetöse ging das Programm Obamas unter. Er will mehr Staat, möchte die Finanzkrise durch staatliche Rettungspakete lösen. Auch will er, dass jeder Amerikaner eine Krankenversicherung hat. Den Klimaschutz nimmt er im Gegensatz zur Bush-Regierung ernst – auch wenn das Geld kostet. International setzt er auf mehr Diplomatie, will sich sogar mit dem unbeliebten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad treffen.

Ob die Amerikaner, die ihre Freiheit so lieben wie sonst kein Volk der Welt, ihren Obama in ein paar Monaten immer noch so lieben werden wie heute? Politisch hat er so gut wie keine Erfahrung, das ist sein großer Nachteil. Und so bleibt offen, ob er wirklich der Heilsbringer für die Amerikaner ist.

Volker ter Haseborg

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