Barack Obama bei Jay Leno: Managerschelte und ein Fettnäpfchen

Zweimal war Barack Obama schon in der US-Talkshow von Jay Leno - bisher aber nur als Kandidat. Zum ersten Mal ist er jetzt aber als amtierender Präsident aufgetreten. Und prompt in ein Fettnäpfchen getappt.
von  Abendzeitung

Zweimal war Barack Obama schon in der US-Talkshow von Jay Leno - bisher aber nur als Kandidat. Zum ersten Mal ist er jetzt aber als amtierender Präsident aufgetreten. Und prompt in ein Fettnäpfchen getappt.

Es war ein extrem ungewöhnlicher Auftritt: Noch nie ist ein amtierender US-Präsident in einer Late-Night-Show aufgetreten. Die Amtsvorgänger von Barack Obama fürchteten um das Ansehen des Amtes, aber noch mehr um ihr eigenes: Zu groß ist die Gefahr, in der lockeren Plauder-Atmosphäre etwas Falsches zu sagen. Obama aber ist ein Medien-Präsident - und setzte sich der 35-minütigen Plapperei aus. Zum ersten Mal war wohl auch Talkmaster Jay Leno extrem aufgeregt. Die AZ hat sich den Auftritt angesehen.

Obamas Auftritt

Lässig marschiert Barack Obama auf die Bühne - "er trägt ein dunkelblaues Jackett und rote Krawatte" vermelden aufgeregte Journalisten sofort. Die Showband spielt "Hail To The Chief", und noch bevor Obama Talkmaster Jay Leno die Hand schüttelt, begrüßt er dessen Sidekick Kevin Eubanks per Handschlag. "Er hat sich heute zum ersten Mal einen Anzug angezogen, nur für Sie", sagt Leno.

Obama über die Finanzkrise

Schnell wird es ernsthaft: Angesichts der horrenden Bonuszahlungen für die Manager des schwankenden Versicherungskonzerns AIG sei er "fassungslos" gewesen, sagt Obama. "Wer mit ein bisschen Verstand beschließt einen Haufen Bonuszahlungen, wenn gleichzeitig deine Firma vor dem Kollaps steht?", fragt Obama. "An der Wall Street gab es bis vor kurzem diese breite Kultur, dieses generelle Anspruchsdenken. Wir müssen uns wieder unserer Grundwerte besinnen. Die Leute müssen wissen, genug ist genug."

Jay Leno schaut ernst, fragt: "Muss dafür nicht jemand ins Gefängnis?" "Das ist das kleine, schmutzige Geheimnis", erwidert Obama: Die hoch riskanten und spekulativen Geschäfte, die die USA in die Krise geritten haben, seien "völlig legal" gewesen. "Deshalb brauchen wir neue Gesetze. Wenn dein Toaster explodiert, gibt es ein Gesetz das sagt, Toaster müssen sicher sein." Dasselbe müsse für Finanzprodukte gelten. Überhaupt brauche Amerika weniger Investmentbanker, weniger virtuelles Wachstum, sondern reales Wirtschaftswachstum: "Schlaue Kinder sollen lieber Ingenieure werden, Wissenschaftler, Ärzte oder Lehrer", sagt Obama.

Obama über sein Präsidenten-Leben

"Wie ist es, in der Air Force One zu fliegen?", fragt Jay Leno. Obama antwortet prompt: "Ziemlich cool." Allerdings seien seine Töchter Sasha und Malia nicht so beeindruckt. "Neulich sind wir mit dem Hubschrauber über Washington hinweg geflogen, über das Washington Memorial - und plötzlich sagt Sasha ,kann ich was von den Süßigkeiten da drüben haben?' Sie finden halt andere Dinge cool."

Obama über den Hund

Am Abend seiner Wahl hatte er seinen Kindern einen Hundewelpen versprochen - und noch ist keiner im Weißen Haus eingezogen. Also fragt Jay Leno nach. Obama grinst: "Ach wissen Sie, das war ein Wahlversprechen." Pfiffe und Gelächter im Publikum." Obama: "Nein, ich mache nur Spaß, jetzt muss ich Anfang April erstmal zum Nato-Gipfel, und wenn ich zurückkomme, ist der Hund da."

Nur über die Rasse schweigt er sich weiter aus. Medien hatten bereits berichtet, dass es ein portugiesischer Wasserhund werden soll. "Was soll das sein, ein portugiesischer Wasserkopf?", witzelt Leno. "Nein, sowas ist es nicht", sagt Obama. "Portugiesischer Wasserkopf, das klingt gruselig. Tropft ja das ganze Haus voll."

Obama über das politische Washington

Die Kritik an den unpopulären Finanzentscheidungen des US-Präsidenten wird lauter - das merkt jetzt auch der Superstar-Präsident. "In Washington", sagt Obama zum grinsenden Jay Leno, "ist es wie bei American Idol. Nur das dort jeder Simon Cowell ist." American Idol ist übrigens das US-Vorbild für "Deutschland sucht den Superstar" - und Simon Cowell der amerikanische Dieter Bohlen.

Obamas Tritt ins Fettnäpfchen

Ganz zum Schluss, die Stimmung ist nach dem ernsthaften Anfang jetzt fast albern, tritt Barack Obama dann doch noch ins Fettnäpfchen. Angesprochen auf die Bowling-Bahn im Weißen Haus, die der Bowling-Hasser Obama zum Basketball-Platz umbauen lassen will, sagt der Präsident: "Ich habe schonmal dort trainiert. Aber das war mehr sowas wie Behinderten-Olympiade."

Im Publikum wird zwar gelacht, aber die kritischen Stimmen kommen sofort: "Der Präsident beleidigt Behinderte", empören sich konservative Polit-Analysten. Pressesprecher Bull Burton bemüht sich um Schadensbegrenzung: "Das war eine spontane Bemerkung und keinesfalls eine Beleidigung. Mister Obama hält die Behinderten-Olympiade für ein wundervolles Programm."

Kritik am Auftritt

Überhaupt sorgte der Auftritt im gegnerischen politischen Lager für viel Aufruhr. Der republikanische Senator Jon Kyl kritisierte Obama. Der Präsident solle stattdessen lieber in Washington die volle Verantwortung für die Vorgänge bei AIG übernehmen. Obama erwiderte: "Wenn Du Präsident bist, musst Du gleichzeitig spazieren gehen können und Kaugummi kauen".

Tatsächlich könnte man aber derzeit den Eindruck gewinnen, als führe Obama seinen Wahlkampf einfach weiter. Der Präsident war bereits zu Besuch beim Sportsender ESPN, am Sonntag wird er in der berühmten Sendung "60 Minutes" interviewt, am Dienstag hält er eine Live-TV-Pressekonferenz. Hintergrund der breit angelegten Image-Kampagne: Nach 59 Tagen im Amt steht seine Regierung in der Kritik, besonders Finanzminister Tim Geithner. Er soll nämlich frühzeitig von den Bonus-Zahlungen für die AIG-Manager gewusst haben.

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