Bangkok: Demonstranten wollen Blut vergießen
BANGKOK - Die arme Landbevölkerung kämpft für einen Regierungswechsel – mit Blutverlust und mit dem Geld eines Milliardärs. Die Touristen spüren noch nichts von den Protesten, der König schweigt.
Die Proteste in Thailand nehmen an Schärfe zu. Mit ungewöhnlichen Aktionen kämpft die Opposition in einem der liebsten Urlaubsländer der Deutschen für einen Regierungswechsel. Die Touristen sind noch ungestört, nur die Lage in der Hauptstadt ist angespannt – und der wichtige König schweigt.
Es klingt schrecklich, aber es soll nicht so schlimm werden. Die Demonstranten in Thailands Hauptstadt wollen Blut vergießen – aber es ihr eigenes sein. Für Neuwahlen und einen Regierungswechsel wollen sich 100000 Thais selbst zur Ader lassen. Dieses Blut wollen sie heute vor dem Regierungssitz ausschütten.
„Dieses Blut wird vom Körper und von der Seele der demokratischen Rothemden genommen“, sagte Protestführer Nutthawut Saikua zu der spektakulären Aktion. Wenn die Regierung nicht bis Dienstag Mittag abtrete, werde man sich massenhaft zur Ader lassen.
Noch zeigt sich Regierungschef Abhisit Vejjajiva unnachgiebig. Er bot der Opposition Verhandlungen über Neuwahlen an. Die Forderung nach einer Parlamentsauflösung sei allerdings „nicht machbar“, sagte er.
Die Proteste sind Ausdruck tiefer Spaltung im Land. Abhisit ist seit 2008 im Amt. Damals belagerten die Anhänger seiner Partei in gelben Hemden wochenlang Parlament und Flughafen – bis Vorgänger Songchai Wongsdawat schließlich aufgab. Songchai gehörte zum Lager der Roten, das vom Geld des Milliardärs Thaksin Shinawatra finanziert wird. Thaksin war selbst von 2001 bis 2006 Regierungschef. Mit populistischen Sprüchen hatte er zwei Wahlen gewonnen, wurde aber 2006 vom Militär wegen Korruption gestürzt. Auch die nächsten Wahlen gewann sein Lager. Thaksin selbst wurde rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt, setzte sich aber rechtzeitig ab. Von Dubai aus finanziert und befeuert er die aktuellen Proteste.
Die Demonstranten, rund 100000 sollen es sein, bekommen offenbar Geld, damit sie vom Land nach Bangkok fahren. Die Roten stehen für die arme Landbevölkerung, die Gelben, die derzeit in der Defensive sind, sind eher städtisch geprägt.
Der Regierungschef flüchtete sich zunächst in eine Kaserne, er hat sich mittlerweile an einen unbekannten Ort fliegen lassen.
50000 Soldaten und Polizisten sind in der Hauptstadt aufgeboten. Mit martialer Ausrüstung, aber auch mit einfallsreicher Taktik begegnen sie den Protesten. Sie beschallen die Demonstranten mit Jazz und Volksmusik, das soll die Aggressionen dämpfen.
Das Rote Kreuz hat sich besorgt über die hygienischen Umstände des geplanten „Blutvergießens“ geäußert: Man könne „viele Menschen mit dem Blut retten, statt es sinnlos zu vergießen“, sagte ein Sprecher. Mittlerweile gab es auch erste Verletzte bei den Demonstrationen. In einem von Demonstranten umstellten Depot explodierten zwei Granaten, zwei Polizisten wurden verletzt.
Unklar ist, wie viel Geld noch in der Kasse der Demonstranten ist. Milliardär Thaksin ermunterte seine Anhänger zwar: „Macht weiter, ihr macht das für die Demokratie“, ohne sein Geld würde der Protest aber schnell verflachen.
Unklar ist die Haltung des Königs. Der 82-jährige Bhumibol gilt als wichtige Klammer für die Einheit des Landes. Erst durch sein Einverständnis legitimierte er den unblutigen Putsch gegen Thaksin von 2006. In der letzten Auseinandersetzung hat er sich auf die Seite der „Gelben“ geschlagen. Doch diesmal schweigt der Regent. Er ist krank. „Die Proteste sind nach Umfang und Ausschreitungen weit hinter den hysterischen Vorhersagen zurückgeblieben“, sagt der deutsche Botschafter Hanns Schumacher. In den Touristen-Orten machen sich die Proteste noch nicht bemerkbar.
Matthias Maus
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