Bamf-Skandal: 18.000 Asyl-Fälle werden überprüft

Bamf-Chefin Jutta Cordt lässt 18.000 Asylbescheide der Bremer Außenstelle überprüfen, deren geschasste Leiterin Josefa Schmid wird handgreiflich, und die FDP fordert erneut einen Untersuchungsausschuss.
von  Bernhard Junginger
Was wusste Horst Seehofer (CSU) über die Missstände im Bremer Bamf – und wann hat er davon erfahren? Auch das interessiert die Opposition.
Was wusste Horst Seehofer (CSU) über die Missstände im Bremer Bamf – und wann hat er davon erfahren? Auch das interessiert die Opposition. © dpa/Ralf Hirschberger

Berlin - Die Affäre um die Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zieht immer weitere Kreise. In der Bremer Außenstelle der Behörde werden nun alle positiven Asylentscheidungen seit dem Jahr 2000 überprüft, insgesamt 18.000 Fälle (hier der Bericht). In weiteren Städten ist es nach Bamf-Angaben ebenfalls zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Besonders betroffen sind nach AZ-Informationen die Außenstellen in Karlsruhe, Gießen, und Bingen.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass es bei einer Vernehmung von Josefa Schmid, der Ex-Leiterin des Bremer Amts, am Mittwoch offenbar zu einem Eklat gekommen ist. Schmid soll, so sagte eine eng mit dem Fall befasste Person, einem hochrangigen Bamf-Mitarbeiter auf die Finger geschlagen haben, als dieser Unterlagen der Ex-Leiterin durchsuchte. Schmid war im Januar zur Leiterin des Bamf in Bremen ernannt worden. In einem 99-seitigen Bericht hatte sie die Zustände in der Behörde unter ihrer Vorgängerin Ulrike B. angeprangert, der sie vorwirft, in 3.332 Fällen fehlerhafte Asylbescheide ausgestellt zu haben. Inzwischen wurde Schmid aus Bremen abberufen, wogegen sie sich mit rechtlichen Mitteln wehrt.

Affäre um Bamf: Wann wusste Horst Seehofer bescheid?

Die Frage, wann Innenminister Horst Seehofer (CSU) von Schmids Bericht erfahren hat, ist längst zu einem Politikum geworden (AZ-Kommentar: "Kein Traumstart") - die FDP bekräftigte am Freitag ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zum Bamf-Skandal.

Bislang waren es vor allem die Vorgänge in Bremen, die für Schlagzeilen sorgten. Dort sollen mindestens 1.200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhalten haben. Darunter sollen sich auch Kriminelle, Islamisten und Personen mit angeblichen IS-Verbindungen befunden haben, so heißt es. Gegen Ulrike B. die ehemalige Leiterin, und weitere Personen, wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der „bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ ermittelt.

Am Freitag trat Bamf-Chefin Jutta Cordt vor die Presse und beteuerte, die Behörde unternehme größte Aufklärungsanstrengungen, die aber noch andauerten. Bis zum 11. Mai seien rund 4.600 positive Asylbescheide überprüft worden – darunter etwa 1.500 aus Bremen. In mehr als 70 Prozent dieser Fälle seien "Implausibilitäten“ festgestellt worden. In 40 Prozent seien ein Widerruf oder eine Rücknahme der Entscheidung einzuleiten. Bei den übrigen untersuchten Außenstellen seien in 46 Prozent der positiven Bescheide Unregelmäßigkeiten entdeckt worden. Doch die interne Revision habe nur in knapp sechs Prozent der Fälle festgestellt, dass ein Verfahren zu Widerruf oder Rücknahme des Verfahrens einzuleiten sei. Hinweise auf bewusste Manipulationen wie in Bremen habe es in anderen Außenstellen nicht gegeben.

Seehofer: Bundesrechnungshof prüft Bamf

Durch Cordts Aussagen fühlt sich die FDP in ihrer Forderung nach weiterer Aufklärung bestätigt. Vize-Fraktionschef Stephan Thomae sieht zahlreiche "Ungereimtheiten“ in der Art und Weise, wie das Bamf und das übergeordnete Bundesinnenministerium in dem Fall vorgegangen sind. "Offensichtlich ist die Tragweite der Vorgänge entweder nicht erkannt worden oder man hat die Augen fest verschlossen", sagt der Jurist. Dass Cordt bereits am 19. Dezember 2017 von den Vorgängen in Bremen erfahren habe, Innenminister Horst Seehofer (CSU) aber erst vier Monate später, sei "unglaublich“. "Wir werden deshalb einen Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Ausschusses stellen, der die Vorgänge beim Bamf Bremen, strukturelle Defizite beim Bamf insgesamt und auch darüber hinaus die ganze Flüchtlingsthematik zum Inhalt hat.“ Seehofer hat inzwischen eine Überprüfung des Bamf durch den Bundesrechnungshof angeordnet.

Josefa Schmid, die zeitweilige Leiterin der Bremer Bamf-Außenstelle, wurde gegen ihren Willen abgelöst. Foto: dpa

Unterdessen spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen Josefa Schmid und dem Bamf offenbar zu. Jutta Cordt bezeichnete Schmids Ablösung gegen deren Willen als "ganz normal im Beamtenrecht“. Dagegen will sich Schmid, die nebenamtlich Bürgermeisterin von Kollnburg in Niederbayern ist, weiter mit rechtlichen Mitteln gegen ihre Versetzung wehren. Aus ihrem Umfeld heißt es, Schmid fühle sich vom Bamf wie eine Beschuldigte behandelt, während sie sich selbst als couragierte Aufklärerin sehe. Schmid habe gehofft, dass mit dem Amtsantritt von Horst Seehofer endlich Bewegung in die Aufarbeitung der Vorfälle komme, nun sei sie "bitter enttäuscht“, dass dies aus ihrer Sicht nicht geschehen sei. In CSU-Kreisen dagegen wird Schmid unterstellt, die frühere CSU-Kommunalpolitikerin, die zur FDP gewechselt war, wolle "sich wichtigmachen“ und ihrerseits den Fall für Wahlkampfzwecke ausschlachten.

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