Bamf-Affäre: Seehofer verteidigt Flüchtlingsbehörde und sich selbst

Das Flüchtlingsbundesamt steht in der Kritik. Lange Verfahren, fehlerhafte Entscheidungen, ungeklärte Identitäten. Die Mitarbeiter stehen unter massivem Druck. Eine Reform jagt die nächste. Seehofer sagt: Was kann ich dafür? Ich bin gerade erst im Amt.
dpa |
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Berlin - Die Affäre um Verfahrensmängel und Fehlentscheidungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entwickelt sich für Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu einem echten Problem. Die FDP forderte einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen in der Bremer Bamf-Außenstelle. Deren frühere Leiterin soll dazu beigetragen haben, dass rund 1.200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten.

Tobias Lindner (Grüne) rief Seehofer in seiner Rede zum Haushalt des Bundesinnenministeriums zu: "Tun Sie nicht so, als wären Sie der Chef-Aufklärer. Was wussten Sie und wann wussten Sie es?" Seehofer nahm das Bamf gegen den Vorwurf der Unfähigkeit und Vertuschung in Schutz. "Dort wird heute eine gute Arbeit geleistet für unser Land in einem ganz wichtigen Bereich", sagte er. Es sei falsch, das mögliche Fehlverhalten einiger Mitarbeiter allen Beschäftigten anzulasten.

Vorwurf, Seehofer hätte Aufklärung nicht genug vorangetrieben

Gleichzeitig trat Seehofer dem Vorwurf entgegen, die Aufklärung in der Angelegenheit nicht entschieden genug vorangetrieben und eine Mitarbeiterin, die dazu beitragen wollte, strafversetzt zu haben. Josefa Schmid hatte die Leitung der Bremer Außenstelle im Januar angetreten. Inzwischen musste sie ihren Posten wieder räumen. Obwohl sie sich juristisch gegen ihre Abberufung wehrt, führt die Nürnberger Bamf-Zentrale für die Versetzung "Fürsorge"-Gründe an (AZ-Kommentar zum Thema: "Kein Traumstart").

"Für die Fraktion der Freien Demokraten führt nun kein Weg mehr an einem Untersuchungsausschuss vorbei", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Marco Buschmann. "Offenbar ist nur so eine schonungslose Aufarbeitung möglich." Die Grünen sperren sich nicht generell dagegen. Sie sehen aber nach Angaben aus Fraktionskreisen auch noch andere Möglichkeiten, für Aufklärung zu sorgen.

Untersuchungsausschuss ist für Seehofer "keine Bedrohung"

Seehofer betonte, die staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Bremer Bamf-Affäre hätten vor seinem Amtsantritt begonnen. Dass FDP und Grüne nun einen Untersuchungsausschuss zu den Unregelmäßigkeiten ins Spiel gebracht hätten, sei für ihn "keine Bedrohung".

"Die Ungereimtheiten und Probleme beim Bamf nehmen mit jedem Tag größere Dimensionen an. Bundesinnenminister Seehofer ist damit offenbar überfordert und hinkt bei der Aufklärung hinterher", sagte Buschmann. "Zudem steht die Frage im Raum, ob er nicht schon früher über den Skandal in Bremen informiert war als behauptet." Der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses müsste im Bundestag ein Viertel der Abgeordneten zustimmen.

Josefa Schmid ist FDP-Mitglied und ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Kollnburg in Niederbayern. Sie hatte in einem internen Bericht, den sie am 4. April an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), schickte, die Einsetzung einer "neutralen Untersuchungskommission" durch das Ministerium angeraten, um für eine Aufklärung der Vorfälle unabhängig von der Bamf-Leitung in Nürnberg zu sorgen.

Alle 2.000 BAMF-Verfahren müssen geprüft werden

Mayer sagte im Deutschlandfunk zu der Affäre in Bremen: "Das Ausmaß ist enorm. Man ist immer noch dabei, die Dimension in der Gesamtheit in Erfahrung zu bringen." Es sei richtigerweise von der Bamf-Spitze entschieden worden, alle 2.000 Verfahren, die in Bremen entschieden wurden, auf den Prüfstand zu stellen. Er sagte: "Ich gebe Frau Schmid durchaus Recht, dass die Vorgänge in Bremen ungeheuerlich sind, dass sie unfassbar sind."

Mayer betonte, Seehofer und seine Mitarbeiter hätten ein enormes Interesse an einer umfänglichen Aufklärung. Josefa Schmid hatte nach Angaben des Innenministeriums bereits am 14. März um einen persönlichen Gesprächstermin mit Seehofer gebeten. Der Minister soll jedoch erst fünf Wochen später darüber informiert worden sein.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Vorgängerin von Josefa Schmid. Diese soll zwischen 2013 und 2016 mindestens 1.200 Menschen unrechtmäßig Asyl gewährt haben. Außer gegen die Frau wird gegen fünf weitere Beschuldigte ermittelt - darunter drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung.

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