AZ-Kommentar: Verzockt
Alexis Tsipras hat mit leerer Hand gereizt und gereizt - und am Ende nicht nur Geld, sondern auch Sympathien verspielt.
Die Brücke, die die Gläubiger Alexis Tsipras am Ende der vergangenen Woche gebaut haben, war nicht golden, aber wäre in Würde zu beschreiten gewesen. Der griechische Premier hätte seinem Volk erhobenen Hauptes gegenübertreten und sagen können: Ich habe für euch viel rausgeholt – mehr ist nicht drin! Beide Seiten hätten halbwegs ihr Gesicht gewahrt.
Es kam anders: Tsipras zauberte mitten in der Nacht ein Referendum aus dem Hut, degradierte ein kostbares Instrument der Demokratie zur taktischen Gerätschaft, zum Werkzeug des Machterhalts.
So sinnvoll eine Volksabstimmung manchmal auch sein mag: Der neue Ministerpräsident hat von den griechischen Wählern ein klares Mandat erhalten, erst vor Kurzem. Dass er es nicht nutzt und die Verantwortung wieder auf die tief verunsicherte Bevölkerung abschiebt, ist schlichtweg feige.
Die Gläubiger – deren an Selbstverleugnung grenzender Langmut in vielen EU-Ländern das größte Politikverdrossenheitsförderungsprogramm der letzten Jahre in Gang gesetzt hat – haben jetzt erstmals (ein bisschen) Härte gezeigt und die Athener Links-Rechts-Regierung abblitzen lassen.
Tsipras, der wie ein Kartenspieler mit leerer Hand reizte und reizte, hat sich verzockt, am Ende nicht nur Geld, sondern auch Sympathien verspielt, die dem Jungdynamiker anfangs sogar in Deutschland zugeflogen waren – auch weil er instinktsicher-populistisch „den Banken“ die alleinige Schuld an der Situation seines Landes zuschusterte, um von hausgemachten Problemen abzulenken.
Das griechische Volk hat eine andere, eine bessere Regierung verdient.
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