AZ-Kommentar: Und wann reden wir über die Täter?
Natürlich ist es richtig und wichtig, dass sich Nordrhein-Westfalens Innenminister vor dem Düsseldorfer Landtag erklären muss. Doch irgendetwas läuft gehörig falsch in der Debatte um die Kölner Schreckensnacht.
Nachdem zunächst auf die Polizei eingeprügelt wurde (als seien es die Beamten gewesen, die die Frauen attackierten), hagelt es seit Tagen Relativierungen: dass es auf der Wiesn und im Fasching ja auch Übergriffe gebe; dass auch deutsche Männer gewalttätig werden; dass auch die katholische Kirche Missbrauch kenne; sogar der Name des alten FDP-Machos Brüderle fiel.
Manche setzten sich gar nicht erst mit den Vorfällen auseinander, sondern lediglich mit der – in der Tat unappetitlichen – Instrumentalisierung durch Rechte. Eine Berliner Tageszeitung stellte jüngst sogar die Motive der anzeigenden Frauen in Frage, zweifelte daran, ob denn wirklich alle missbraucht worden seien oder politische Gründe eine Rolle spielen. Und ein namhafter Journalist wunderte sich, dass „ein paar grabschende Ausländer“ für so viel Furore sorgen können.
Lauter Abwehrreaktionen, die auf Nebenkriegsschauplätze führen und zeigen, wie schwer es vielen fällt, eine wahrhaftige Ursachenforschung zu betreiben. Die Täter selbst, ihre Sozialisation in einer frauenfeindlichen, demokratiefernen, homophoben und häufig antisemitischen Kultur, werden seit zehn Tagen nahezu vollständig ausgeblendet.
Dabei ist die traurige Wahrheit: Was Silvester in Köln geschah, passiert in den Heimatländern vieler Flüchtlinge jeden Tag.
Wer Probleme bewältigen will, muss ihre Wurzeln erkennen und benennen, darf die aufgeklärten Muslime nicht als Nestbeschmutzer stigmatisieren, sondern sollte sie unterstützen im Kampf für eine Liberalisierung und Säkularisierung ihrer Kultur, kann Kritik am real existierenden Islam zulassen – jene Kritik, die sich auch das Christentum gefallen lassen musste und muss.
Es geht nicht um die Beleidigung einer Religion, sondern um den Schutz vor ihren menschenverachtenden Auswüchsen. Wer jetzt schweigt, relativiert, schönfärbt und kleinredet, trägt eine Mitschuld, wenn sich Köln wiederholt.