AZ-Kommentar: Keine Toleranz gegenüber Intoleranten

In Nürnberg werden homosexuelle Flüchtlinge nach massiven Anfeindungen getrennt untergebracht. Kurzfristig notwendig, aber das grundfalsche Signal, schreibt AZ-Vize Timo Lokoschat.
Keine Toleranz gegenüber Intoleranten: Wer die Anwesenheit von Homosexuellen als „Affront“ empfindet, ist in Deutschland falsch. Als Alternative stehen weltweit über 80 Länder zur Auswahl, in denen Homosexualität nach wie vor illegal ist, mit Gefängnis, Auspeitschung, Folter, manchmal sogar mit dem Tode bestraft wird.
Wer gerne in einem reaktionären Umfeld lebt, darf das tun – aber bitte nicht hier. Dass Gestrige ihre mittelalterlichen Vorstellungen von Sexualität, Frauenrechten, Glauben und Demokratie nach Deutschland importieren, ist inakzeptabel. Übergangsweise mag eine spezielle Unterkunft wie in Nürnberg notwendig sein – auf die Dauer ist sie das grundfalsche Signal. Nicht Homosexuelle, Christen, Frauen und Kinder gehören separiert, sondern die Gewalttäter (vor ihrer unumgänglichen Abschiebung).
Sollten Homosexuelle ihre Orientierung in der Asylunterkunft lieber geheim halten? Sich verstecken? Zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin einen Meter Abstand halten? Nein. Das ist die gleiche falsche Logik, die von Frauen fordert, sich möglichst unauffällig zu verhalten, damit sie nicht Opfer sexueller Gewalt werden.
Es ist die gleiche falsche Logik, die von Karnevalswagengestaltern fordert, bloß nicht den Islam zu thematisieren, damit sich niemand beleidigt fühlt.
Es ist die gleiche falsche Logik, die dazu führt, dass nackte Statuen im Museum verhüllt werden, weil der iranische Staatspräsident zu Besuch ist.
Nein, nicht wir müssen uns ändern, sondern – falls nötig – die, die hier zu Gast sind oder dauerhaft mit uns leben wollen. Das ist alternativlos.