AZ-Kommentar: Ein Signal an alle
Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen wird den Druck nur kurzfristig mindern, doch es ist ein Signal an lethargische EU-Partner, schreibt AZ-Vize Timo Lokoschat
"Wir schaffen das", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das ist etwas unpräzise formuliert. Richtiger wäre: "Die Münchner schaffen das." Aber nicht mehr lange. Man will sich gar nicht ausmalen, wie die vergangenen 48 Stunden ohne die überwältigende Hilfsbereitschaft am Hauptbahnhof verlaufen wären.
Während der Rest Deutschlands und der Rest Europas mehr oder weniger die Hände in den Schoß legt, packen die Hiesigen an und sorgen dafür, dass es zu keiner Katastrophe kommt.
Der Zorn des Oberbürgermeisters ist gerecht. So geht es nicht. Auch die rot-grün-regierten Bundesländer, die so viel von Solidarität reden, sollten sich fragen lassen, ob ihren Worten wirklich Taten folgen oder sie sich lediglich hinter Verteilungsschlüsseln verschanzen.
Es muss sich etwas ändern. Nicht morgen, nicht übermorgen, sondern sofort. Auch in der Politik der Bundesregierung. Zur Emotio sollte sich wieder die Ratio gesellen, zur Großherzigkeit die Vernunft.
Die vorübergehende Wiedereinführung der Grenzkontrollen wird den Druck nur sehr kurzfristig mindern, doch sie ist ein Signal an die lethargischen EU-Partner: Es reicht. Und ja, Seehofer und Orban jubeln. Na und? Ist das allein ein Grund, den Schritt zu verurteilen? Für parteipolitische Kleinkariertheiten ist die Situation längst viel zu ernst.
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