AZ-Kommentar: Alles halb so wild, Herr Todenhöfer?

AZ-Vizechefredakteur Timo Lokoschat über den Besuch des Publizisten Jürgen Todenhöfer beim Islamischen Staat.
Timo Lokoschat |
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Jürgen Todenhöfer mit zwei Kämpfern des Islamischen Staates.
facebook.com/JuergenTodenhoefer Jürgen Todenhöfer mit zwei Kämpfern des Islamischen Staates.

Beide Seiten zu Wort kommen zu lassen, gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht. Die Frage ist, ob dieses Prinzip noch gilt, wenn die eine Seite systematisch Gegner und Andersgläubige abschlachtet, Männer, Frauen, Kinder und Alte massakriert.

Jürgen Todenhöfers Antwort lautet: ja.

Folgt man seiner Logik, wäre auch ein Interview mit Adolf Hitler statthaft, sofern er noch lebte. Damit er mal seine Sicht der Dinge schildern kann, wie das genau war mit den Juden und so.

Wie sich die Opfer fühlen? Nebensache. Sie hat Todenhöfer nicht besucht. Was wohl die syrischen Flüchtlinge denken, die alles verloren haben, traumatisiert in Deutschland gelandet sind, wenn sie lesen, dass ein Journalisten aus diesem Land bei ihren Schlächtern (erst bei Assad, dann beim IS) zu Gast war und mit einem Rucksack voller Relativismus zurückgekehrt ist.

Lesen Sie hier: Todenhöfer beim IS

Was die bizarre Show anrichtet, lässt sich bereits im nahezu endlosen Kommentarstrang auf seiner Facebook-Seite ablesen. Der "Islamische Staat" sei ja wohl halb so wild, Todenhöfer kein Haar gekrümmt worden, lautet eines der beliebtesten Statements. "Der Westen" bausche die Massaker des Islamischen Staates unnötig auf, finden andere. Sogar der "Friedensnobelpreis" wird für den Publizisten gefordert.

Warum Todenhöfer in einem Stück wieder in Deutschland ist? Wohl vor allem, weil die IS-Terroristen in ihm eine Art Pressesprecher sehen, der ihre vier Botschaften nach Westen bringt:

1. Wir sind stark

2. Unsere Kampfmoral ist hoch

3. Bomben bringen nichts

4. Lasst uns verhandeln, damit sich das Kalifat konsolidiert.

Genau das tut Todenhöfer. Ungefiltert und unkritisch. Spricht er vom monströsen IS-Plan, 500 Millionen Menschen umzubringen, erledigt er das in einem Tonfall, als gehe es um ein ambitioniertes Infrastrukturprojekt.

Jürgen Todenhöfer hat seinen Kopf noch, zum Glück. Manchmal fragt man sich jedoch, was in ihm vorgeht.

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