AZ-Interview mit Tourismus-Experte Torsten Kirstges

AZ: Herr Kirstges, müssen wir jetzt im Urlaub Angst haben?
Torsten Kirstges: So gefragt müssen wir Angst haben, zu leben. Denn Gefahr für Eigentum, Leib und Leben droht leider auch in der Heimat, vor der Haustür. Ähnliches wie in Istanbul oder Paris kann uns auch in Berlin, München oder Hintertupfingen passieren – doch ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer solchen Aggression zu werden, zum Glück nach wie vor gering. Daher: Wir sollten und müssen nicht mit Angst im Bauch reisen.
Dass man nicht unbedingt Urlaub im Jemen machen sollte, dürfte bekannt sein. Aber werden auch Reisen innerhalb Europas gefährlicher?
Sagen wir so: Es ist grundsätzlich für Terroristen interessant, den Tourismus eines Landes, der meist für Einnahmen und wirtschaftliche und damit auch letztlich soziale Stabilität eines Landes sorgt, zu treffen. Daher sind Anschläge auf touristische Hotspots besonders – ich nenne es mal – medienwirksam. Das Gefühl vermittelt dann, dass das Reisen auch innerhalb sicherer europäischer Länder gefährlich ist.
Und stimmt das Gefühl?
Die objektive Gefährdung für den Einzelnen dürfte kaum höher sein als noch vor einigen Monaten oder Jahren. Sie dürfte auch nicht höher sein als die Gefahr, bei der Pkw-Anreise in den Urlaub zu verunglücken. Bei manchen arabischen Ländern ist das anders. So traurig dies für das Land sein mag.
Was empfehlen Sie Reisenden für ihre Urlaubsplanung?
Die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes sollten beachtet werden. Aber auch Reiseveranstalter sind in der Regel gut mit ihren Zielgebieten vernetzt und haben Gefahren im Blick. Aber: All dies schützt natürlich nicht vor unerwarteten Aggressionen.
Gibt es ein Land in Europa, das Sie derzeit meiden würden?
Nein. Das subjektive Unsicherheitsgefühl, das sich nun mal leider einstellt, also mein Bauch, würde mich vielleicht dazu veranlassen, dichte Menschenmengen zu vermeiden und mehr nach links und rechts zu schauen. Das gilt aber auch für die U-Bahn in Berlin. Letztlich würde mein Kopf aber sagen: Die Wahrscheinlichkeit, von einem Terroranschlag betroffen zu sein, ist gering, und wenn das Schicksal es so will, dann kann ich es auch nicht vermeiden – ob im Urlaub oder in der Heimat.
Zur Person: Der Tourismusexperte Torsten Kirstges ist Direktor des Instituts für innovative Tourismus- und Freizeitwirtschaft (ITF) an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven.