AZ-Interview: „Eine Sprache sprechen“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger appelliert an FDP und CSU, nicht Regierung und Opposition gleichzeitig zu sein. Am Wochenende treffen sich die Liberalen zum Landesparteitag in Kulmbach
AZ: Die FDP befindet sich im Sturzflug, die Grünen dagegen im absoluten Höhenflug. Wie erklären Sie sich das?
SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist ein momentanes Tief, was auch daran liegt, dass wir in einer Regierungskoalition auch unpopuläre Entscheidungen mittragen müssen, weil wir teilweise schmerzhafte Reformen für die Zukunft brauchen. In der Opposition ist es immer leichter; Zustimmung zu bekommen. Dass die Grünen in einem solchen Höhenflug sind, ist ein Ausdruck von Protest von manchen Bürgerinnen und Bürgern. Das lässt mich aber noch nicht grundlegend besorgt werden.
Sie müssten besorgt sein. Die FDP hat allen mehr Geld in der Tasche versprochen. Stattdessen kommen höhere Krankenkassenbeiträge und die Brennelemente-Steuer.
Wir haben gerade Familien mit Kindern zu Beginn des Jahres mit über vier Milliarden entlastet. Jetzt, bei der Gesundheitsreform, ist das System für die Zukunft nicht zu stabilisieren, wenn nicht alle ihren Beitrag leisten. Das trifft auch die Versicherten. Und die Brennelemente-Steuer soll zu Investitionen in erneuerbare Energien führen. Das zahlen doch nicht die Bürger, sondern die Betreiber.
Warum legen die Grünen gerade in Bayern so zu, wo auch die FDP erstmals mitregiert?
Die FDP hat ja quasi eine Revolution in Bayern ermöglicht, indem die CSU nicht mehr alleine regieren kann. Dass da die Opposition besser da steht, angesichts der schwierigen Haushaltsfragen, die eine Regierung zu bewältigen hat, ist keine unnormale Entwicklung. Deshalb müssen wir auch verlässlich sein, Themen durchstehen und argumentieren. Man darf sein Fähnchen als Regierung nicht in den Wind hängen.
Aber gerade in Berlin und in München machen die schwarz-gelben Koalitionen ja gerade nicht den Eindruck, dass sie verlässlich sind. Liegt es vielleicht daran, dass die FDP nicht regieren kann?
Natürlich können wir regieren. Die Umfragen bringen uns auch nicht zum Zittern. Bis zur nächsten Landtagswahl in Bayern ist noch eine lange Zeit. Wenn wir in der Koalition mit einer Sprache reden, wenn mit der CSU etwas vereinbart ist. Wenn wir gemeinsam Konzepte vertreten und gemeinsam dann im Verfahren auch noch versuchen, Anpassungen für Bayern zu finden. Dann können wir den Bürger überzeugen. Aber wenn wir selber Regierung und Opposition gleichzeitig sind, dann sind wir natürlich nicht überzeugend.
In Bayern gleicht Ihre Regierung einem Wunschkonzert. Sie haben mehr Lehrer, den Ausbau von Ganztagsschulen, der frühkindlichen Erziehung und 38000 neue Studienplätze versprochen. Gleichzeitig wollen Sie einen ausgeglichenen Haushalt. Die Staatskasse ist leer. Wie soll dieses Kunststück funktionieren?
Wir wollen alles tun, um unsere Wahlabsichten gerade in diesen Bereichen umzusetzen. Genau das ist jetzt die Kunst bei diesem Haushalt. Wir müssen dafür in den Ministerien mutig einsparen.
Wollen Sie dafür neue Schulden machen, ja oder nein?
Natürlich wollen wir sie vermeiden, wenn es geht. Unser Credo ist: Sparpolitik und Wahlversprechen gehören zusammen. Wir müssen sehen, wie sich die steuerliche Entwicklung darstellt. Das ist ganz klar ein langer, dornenreicher Weg. Interview: A. Böhm