Interview

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer: "Wir brauchen China"

Austausch und Kontakt mit dem wichtigsten Markt für Autobauer sind unverzichtbar, sagt Experte Dudenhöffer im AZ-Interview.
von  Ralf Müller
Ferdinand Dudenhöffer, Experte für die Autobranche.
Ferdinand Dudenhöffer, Experte für die Autobranche. © Nicolas Blandin/dpa

AZ-Interview mit Ferdinand Dudenhöffer: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer (71) gilt als bekanntester deutscher Experte für Automobilwirtschaft. Seit 2020 ist er Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg.

AZ: Herr Professor Dudenhöffer, die deutschen Autohersteller haben im Jahr 2022 durchaus gute Geschäfte gemacht. Werden sie dies trotz aller Herausforderungen 2023 fortsetzen können?
FERDINAND DUDENHÖFFER: Die guten Gewinne, die man 2022 erwirtschaftet hat, wird man 2023 nicht wiederholen können. Es wurden weniger Autos verkauft, aber zu hohen Preisen. Das ändert sich, denn die Lieferkettenprobleme lösen sich allmählich auf und werden im neuen Jahr die Produktion immer weniger bremsen. Daher werden mehr Fahrzeuge in den Markt strömen und das Wettbewerbsumfeld wird größer. Daher werden nicht mehr so hohe Margen erzielt und die Gewinne gehen zurück.

Mehr Autos heißt größerer Wettbewerb

Gilt das auch für BMW, Audi und Mercedes, die als Premiumhersteller eine gewisse Sonderkonjunktur haben?
Die haben in der Regel leicht höhere Margen, aber auch das wird sich 2023 wieder relativieren. Man wird bei den Gewinnmargen wieder zwischen sieben und zehn Prozent und nicht mehr bei zehn Prozent plus X liegen.

Bedrohung aus China

Das wäre ja eigentlich nicht so schlimm. Gibt es da noch größere Bedrohungen für die deutsche Autoindustrie?
Die Bedrohungen kommen aus China und zum Teil von Tesla. Die neuen chinesischen Autobauer sind mittlerweile in China sehr erfolgreich, gerade die exklusiveren, die batterieelektrische Themen sehr gut beherrschen wie Byd oder Nio, die beide jetzt auch in Deutschland aktiv sind. Eine große Rolle spielt in China das Thema Software im Auto. Bei digitalen Anwendungen im Cockpit und Fahrzeug-Innenraum spielen die Chinesen ganz weit vorne mit. Da haben die Deutschen deutlich Nachholbedarf. Das kann man auf dem chinesischen Automarkt beobachten, wo Mercedes beim Spitzenmodell EQS die Preise um bis zu 32.000 Euro senken musste.

Umdenken bei Motoren: offen für Alternative Brennstoffe

Halten Sie es für richtig, dass BMW weiterhin vom Verbrennungsmotor – Stichwort Wasserstoff und Biokraftstoffe – nicht ganz lassen will?
Ich glaube, in den letzten zwölf Monaten hat bei BMW ein Umdenken eingesetzt. Die "Neue Klasse" von BMW ist rein elektrisch ausgelegt. Man hat bei BMW lange hin und her überlegt, ob es ein zu großes Risiko ist, ganz in die Elektrifizierung zu gehen, aber mittlerweile hat man die Entscheidung getroffen, sich bei Neuentwicklungen auf E-Autos zu konzentrieren.

Ist das richtig? Gerade in Bayern gibt es Stimmen aus der Politik, die fordern, die Verbrennertechnologie mit Blick auf Biokraftstoffe und Wasserstoff nicht aufzugeben.
Politikeraussagen sollte man nicht zu ernst nehmen. Ein mit Biokraftstoff betriebenes Fahrzeug hat eine schlechte Energiebilanz, denn der Verbrennungsmotor nutzt nur 40 Prozent der Energie, um das Fahrzeug zu bewegen. Der Rest geht durch Reibung und Wärme verloren. Zusätzlich gilt: Auch bei Biokraftstoffen gibt es Abgase. Für Großstädte wie München ist es da doch schöner, wenn ein Auto ohne Abgase durch die Gegend fährt. Die Abgasreinigung wird immer aufwendiger und teurer. Auch vom Kostengefüge her wird das Elektroauto den Verbrennungsmotoren um die Ohren fahren.

Auf der Beijing International Automotive Exhibition Auto China in Peking.
Auf der Beijing International Automotive Exhibition Auto China in Peking. © imago images/ITAR-TASS

"Wer in China ist, ist mit bei der Entwicklung"

Mit dem derzeit größten Automarkt China gibt es wachsende politische Probleme. Hat sich die deutsche Autoindustrie zu stark von diesem Markt abhängig gemacht?
Absolut nein. Wer nicht in China ist, ist nicht im Autogeschäft. In China werden 2022 mehr als 23 Millionen Autos verkauft. Wenn Sie dabei keinen Marktanteil haben, verlieren Sie die Kostenvorteile durch die Größe. Dann sind Sie auch in anderen Märkten nicht mehr wettbewerbsfähig, weil die Kostenumlagen erheblich höher werden, wenn Sie nicht in China sind. Wer in China ist, ist mit bei der Entwicklung und sieht, wie sich etwa die Software weiterbewegt. Deshalb ist es gut, dass VW ein Joint Venture mit dem Halbleiterhersteller Horizon Robotics gegründet hat, um teilautonomes und autonomes Fahren und IT nach vorne zu bringen. China ist Weltmarktführer in der Batterietechnik und in vielen Software-Bereichen. Also: Das weitaus größere Risiko ist, nicht in China zu sein.

Man hat viel Erwartungen in automatisiertes, teilautonomes und autonomes Fahren gesetzt. Sind diese Erwartungen enttäuscht worden?
In Europa ja. In China sehen wir in den Großstädten immer mehr Fahrzeuge von Technologiefirmen wie Baidu - das chinesische Google -, die sich ohne Fahrer bewegen. Dieses System der Robotertaxen rollen die Chinesen derzeit über ganz China aus. Auch da zeigt sich, dass China deutlich schneller und weiter ist als westliche Länder. Wir fahren da hinterher. Deshalb brauchen wir den Austausch und den Technologiekontakt mit China.

Die deutsche Autoindustrie ist bisher ein Wohlstandsgenerator für das ganze Land gewesen. Kann sie diese Rolle weiter spielen?
Die Frage ist: Wie viel bleibt zukünftig in Deutschland? Frau Baerbock (Außenministerin) und Herr Habeck (Wirtschaftsminister) gehen so weit, dass man im Prinzip die Verbindungen zu China kappen sollte. Das wäre tödlich für die Autoindustrie und die Zukunftsentwicklung in Deutschland. Man wirft sich den USA an den Hals und ist dann an Amerika gebunden. Das muss nicht nur Vorteile haben, wie man derzeit am amerikanischen Inflation Reduction Act sieht, bei dem nur noch Elektrofahrzeuge subventioniert werden, deren Batterien zum Großteil aus den USA kommen. Von daher ist es wichtig, mehrere Partner zu haben und sich nicht absolut von einem abhängig zu machen und den wichtigsten, China, auszuschließen.

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