Ausnahmezustand in Bangkok nach blutigen Unruhen

Bangkok (dpa) - Nach den blutigsten Straßenschlachten seit 16 Jahren hat die thailändische Regierung in der Hauptstadt Bangkok am Dienstag den Ausnahmezustand verhängt.
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Umstritten: Thailands Premier Samak Sundaravej.
dpa Umstritten: Thailands Premier Samak Sundaravej.

Bangkok (dpa) - Nach den blutigsten Straßenschlachten seit 16 Jahren hat die thailändische Regierung in der Hauptstadt Bangkok am Dienstag den Ausnahmezustand verhängt.

Hunderte Polizisten und Soldaten waren in der Nacht nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes aufmarschiert, um rivalisierende Demonstranten auseinanderzutreiben. Es gab Dutzende Verletzte. Regierungschef Samak Sundaravej versicherte, dass der Ausnahmezustand nur wenige Tage dauern solle. Die Wahlkommission warf seiner PPP-Partei unterdessen Wahlbetrug vor und forderte als Strafe die zwangsweise Auflösung der Partei. Die Armee schloss einen Militärputsch aus.

Aufgrund der Eskalation bieten inzwischen einige deutsche Reiseunternehmen eine kostenlose Stornierung von gebuchten Bangkok- Reisen an. Die deutsche Botschaft in Bangkok warnte Besucher davor, in die Nähe des Regierungssitzes zu gehen. Tausende Demonstranten der außerparlamentarischen Opposition PAD hatten das Gelände vor einer Woche gestürmt und hielten es am Dienstag weiter besetzt. «Es wird dringend empfohlen, Demonstrationen und sonstige größere Menschenansammlungen zu meiden, auch um sich nicht dem Risiko eventueller Sprengstoffanschläge auszusetzen», hieß es auf der Webseite der Botschaft. Die Demonstranten zeigten sich trotz Ausnahmezustands, der ihren Protest illegal macht, unerschrocken. «Es gibt gar nicht genügend Gefängniszellen, um uns einzubuchten», rief einer der Anführer, Chamlong Srimuang, trotzig in die Menge.

Der Armeechef schloss einen Militärputsch oder die Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten aus. «Das Tor (für einen Putsch) ist ein für alle Mal zu», sagte General Anupong Paojinda. «Wir müssen neue Wege finden, etwa die Gerichte oder das Parlament, um die Probleme zu lösen.» Samak, gleichzeitig Verteidigungsminister, sagte zur Verhängung des Ausnahmezustands: «Ich musste handeln, so konnte es nicht weitergehen.» Das Leben gehe aber «ganz normal» weiter. Eine Ausgangssperre verhängte er nicht. Der Armeechef leite jetzt eine Kommission, die den Ausnahmezustand durchsetzen und eine Lösung aus der Krise suchen soll. Seine Hauptaufgabe sei es, eine Eskalation der Gewalt zu verhindern, sagte er.

Die Situation war um kurz nach Mitternacht eskaliert, als einige hundert Sympathisanten der Regierung auf das Gelände um den Regierungssitz stürmten, um den Protesten ein Ende zu machen. Die dort kampierenden Oppositionellen, die die demokratisch gewählte Regierung stürzen wollen, leisteten Widerstand. Hunderte Menschen gingen teils mit Schlagstöcken, Metallstangen und Messern aufeinander los. Nach Angaben von Augenzeugen fielen Schüsse. Ein 55-Jähriger wurde erschlagen. Mehr als 40 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Blutüberströmt wurden sie in Krankenhäuser gebracht. Auf dem Straßenpflaster waren Blutlachen zu sehen. Die Schulen in der Umgebung schlossen bis auf weiteres.

Unter dem Ausnahmezustand dürfen sich nicht mehr als fünf Menschen zusammenfinden, «Unruhestifter» können sofort festgenommen und Gelände und Gebäude geräumt werden. Das Oppositionsbündnis PAD weigerte sich jedoch, das Gelände um den Regierungssitz zu verlassen. Es hält Samak für eine Marionette des vor zwei Jahren gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra und argwöhnt, das er dessen Rückkehr an die Macht vorbereitet. Thaksin, der wegen Korruption angeklagt ist, lebt im Exil in Großbritannien. Einige Gewerkschaften unterstützen die PAD, die sich zwar «Volksallianz für Demokratie» nennt, aber ein weitgehend ernanntes statt gewähltes Parlament durchsetzen will.

Die PAD hat einflussreiche Unterstützer in den Reihen des Militärs und der wohlhabenden Familien in Bangkok, die die Geschicke des Landes seit Generationen bestimmen. Auch Gewerkschaften stehen auf ihrer Seite. Die Eisenbahner streiken aus Solidarität, wodurch hunderte Frachtzüge festsitzen. An der Börse fielen die Aktienkurse um 2,3 Prozent. Dass der Armeechef einen Putsch ausschloss, «war ein Signal für die Investoren, dass er keine Strategie für ein Ende der Krise hat», sagte Broker Mongkol Puanghetha. Die Angestellten im öffentlichen Dienst drohten damit, der Regierung Wasser, Strom und Telefonleitungen zu kappen, wenn Samak nicht zurücktritt.

Zur Unterstützung dieser Forderungen besetzten Demonstranten am Dienstag erneut den Flughafen Hat Yai im Süden des Landes. Andere Gruppen hatten am Wochenende den zweitgrößten Flughafen auf der Ferieninsel Phuket besetzt und eine zweitägige Schließung erzwungen. Tausende Touristen saßen dort fest.

Nach Überzeugung des Politologen Thitinan Pongsudhirak wollen die Demonstranten eine gewaltsame Räumung des Geländes um den Regierungssitz provozieren, in der Hoffnung, dass «das der Funke ist, der das Pulverfass in Bangkok entzünden wird.» Das, hofften sie, wäre der Todesstoß für die sieben Monate alte Regierung. Der könnte allerdings auch von anderer Seite kommen: Die Wahlkommission warf der People-Power-Partei (PPP) von Samak am Dienstag Wahlbetrug vor und forderte das Verfassungsgericht einstimmig auf, die Partei aufzulösen. Sie habe vor den Wahlen im Dezember Stimmen gekauft.

1976 waren bei schweren Unruhen mindestens 46 Menschen getötet worden. Damals hatten Soldaten demonstrierende Studenten niederschossen.

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