Aufstand in der CSU: »Wenn Beckstein frech wird, kriegt er eine drüber«

MÜNCHEN - Endzeitstimmung in der CSU: Die Diskussion um das Rauchverbot wurde zum Fraktions-Tribunal für das Tandem. Dilettantismus und Führungsschwäche warfen die Spitzen-Abgeordneten dem Ministerpräsidenten und dem Parteichef vor. Da verlor Beckstein die Nerven.
Die Stimmung in der CSU war fast wie bei der Entmachtung von Edmund Stoiber in Kreuth. Aschfahl saßen Günther Beckstein und Erwin Huber am Dienstagabend in der Vorstandssitzung der Landtagsfraktion. Alle waren da. Keiner fehlte. Es ging um die Lockerung des Rauchverbots – und wurde zum dreieinhalbstündigen Tribunal für das Tandem. Dilettantismus und Führungsschwäche warfen die Spitzen-Abgeordneten ihrem Ministerpräsidenten und dem Parteichef vor. Da verlor Beckstein die Nerven und flippte aus: „Das lass ich mir nicht gefallen“, brüllte er.
Aber auch die Abgeordneten lassen sich nichts mehr gefallen. Der mächtige Chef des Ausschusses für den öffentlichen Dienst, Walter Eykmann, drohte am Mittwoch öffentlich: „Wenn Beckstein frech wird, kriegt er eine drüber.“
Der Traum einer besseren Zukunft - in Rauch aufgelöst
Nicht einmal sechs Monate nach dem Neuanfang herrscht in der CSU schon wieder Endzeitstimmung. Der Traum, mit Huber und Beckstein in eine bessere politische Zukunft zu gehen, hat sich in Rauch aufgelöst. Nach dem Desaster bei der Kommunalwahl wollten die beiden Fraktionschef Georg Schmid zwingen, das Rauchverbot so zu lockern, dass es auch in Bayern quasi „spanische Verhältnisse“ gibt. Ein CSU-Spitzen-Politiker: „Ich dachte, dass diese Zeiten nach Stoiber vorbei sind. Aber jetzt ist es noch schlimmer.“
Doch gerade das schweißt die Fraktion zusammen. Am Dienstagabend wollte sie Beckstein und Huber auflaufen lassen. Nicht mal mehr deren Minimalforderung, das Rauchverbot nur heuer in Bierzelten auszusetzen, sollten die beiden durchsetzen. Landtagspräsident Alois Glück versuchte das Tandem mit allen Mitteln zu retten. Der sonst so anständige Vordenker richtete einen langen unmoralischen Appell an die Vorständler. Man könne nicht immer nach seinem Gewissen entscheiden, beschwor er die aufgebrachten Abgeordneten. In einer dramatischen Rede schilderte der 68-Jährige, in welchen Gewissenskonflikten er sich selbst während seiner fast vier Jahrzehnte im Landtag befand. Manchmal gebe es Situationen, in denen man sich anders entscheiden müsse als man eigentlich wolle, mahnte er: „Um die Führung nicht zu demontieren.“
Die Demontage ist voll im Gang
Doch die Demontage von Beckstein und Huber ist bereits voll im Gang. Öffentlich hatte Eykmann den beiden schon am Montag „mangelnde Führungsqualität“ vorgeworfen. Am Mittwoch erklärte er: „Der Kluge sagt die Wahrheit zur rechten Zeit. Es war richtig, dass ich das gesagt habe, was viele denken.“ Was bisher hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, sagen nun immer mehr Abgeordnete offen. Auch der Chef des Wirtschaftsausschusses, Franz Josef Pschierer, ging die Doppelspitze hart an: Sie solle sich lieber ums G8 und die Bildungspolitik kümmern, anstatt das Rauchverbot aufzuweichen.
Richtig gefährlich aber wird für Huber und Beckstein der Nürnberger Abgeordnete Hermann Imhof: Er hatte schon den Aufstand gegen Stoiber angeführt. Der Vater von drei Kindern sagt stets gerade heraus und ehrlich seine Meinung: „Die CSU blamiert sich bei den Bürgern hoffnungslos.“ Der Parteispitze wirft er vor, die Rauchverbots-Diskussion „ohne Not“ begonnen, Prinzipien verletzt und für einen Vertrauensverlust bei den Wählern gesorgt zu haben. „Blessuren sind nicht zu vermeiden“, so Imhof.
Flucht in die Sicherheitsproblematik
Die Staatsregierung hatte als letzte Ausflucht bei Münchens Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle einen Brief angefordert. Darin sollte er die Sicherheitsproblematik mit dem Rauchverbot auf der Wiesn so dramatisch wie möglich aufzeigen. Und das tat er: Die Stadt könne mit einem Rauchverbot die Sicherheit auf der Wiesn nicht gewährleisten. Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm erklärte mit Tränen in den Augen: „Dieses Argument können wir nicht in den Wind schlagen. Wenn auf der Wiesn nur irgendwas passieren würde, würde man uns die Verantwortung zuschieben.“
Augen zu und durch, hieß dann gestern in der Fraktion die Devise: Die Abgeordneten stimmten der Schonfrist für Bierzelte bis Januar 2009 zu – bei zwei Enthaltungen und zehn Nein-Stimmen. Auch der Augsburger Abgeordnete Max Strehle lehnte den Antrag ab: „Ich lasse mich nicht vergewaltigen. Ich bleibe stehen, so wie ich in meinem Leben immer stehen geblieben bin. Ich bin nicht überzeugt worden.“
Wieder um die wichtigen Themen kümmern
Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen. „Ist das Tandem jetzt beschädigt?“, fragte die AZ Barbara Stamm. Antwort: „Wir haben drei an der Spitze.“ AZ: „Sind alle drei beschädigt?“ Stamm: „Ich trage dazu bei, dass Fraktionschef Georg Schmid nicht beschädigt wird.“ Schmid selbst sagt: „Ich fühle mich blendend.“ Dann zögert er – und setzt nach: „Ich hoffe, dass keiner beschädigt wird und wir uns wieder um die wichtigen Themen kümmern können: das G8, Bildung und Hausärzte.“
Klare Worte gegen Beckstein und Huber. Er fühle sich „überhaupt nicht“ beschädigt, sagte der Ministerpräsident der AZ. Obwohl er in den vergangenen Tagen Fehler eingeräumt hatte. Auch Huber wird abseits der Mikrofone nachdenklich. Ob er sich beschädigt fühlt? Der CSU-Chef: „Es ist vom Ablauf nicht alles glücklich gelaufen. Aber man hat nicht alles in der Hand.“ Das sollte er aber als Parteivorsitzender.
Angela Böhm